Kommentar
Ärzte - ziemlich allein gelassen
Politiker, Funktionäre des Gemeinsamen Bundesausschusses und des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) sei der jüngste Gesundheitsmonitor der Bertelsmann-Stiftung zur ernsthaften Lektüre und Beherzigung empfohlen. Denn die Schlussfolgerung daraus müsste eigentlich sein: die Arzneimittelpolitik und die Optimierung der Arzneimittelversorgung brauchen neue Prioritäten.
Festgebissen haben sich Politik und Selbstverwaltung an einem scheinbar rationalen Konzept, mit dem versucht wird, Wirkstoffe zu bewerten und aus den klinisch reinen Studiendaten zulässige Preise abzuleiten.
Die Wirklichkeit kommt darin nicht vor: voreingenommene, eigenwillige, vergessliche und überforderte Patienten - ebenso wenig Ärzte, die unter Zeitnot leiden oder vielleicht auch Kommunikationsschwächen haben.
Die Folge ist eine beachtliche Noncompliance. Darauf hat vor Jahren schon der Gesundheits-Sachverständigenrat hingewiesen. Er schätzte den ökonomischen Schaden der Noncompliance größer als die Wirkung der Kostendämpfung.
Schlussfolgerungen sind daraus nicht gezogen worden. Der stiere Blick des IQWiG ist auf Wirkstoffe und deren Verhalten in klinischen Studien gerichtet. Die Alltagstauglichkeit eines Arzneimittels, die auch bestimmt wird von Galenik, Applikationsform, Dosierungshäufigkeit und Art der Nebenwirkungen, ist keine für das IQWiG vorrangige Nutzendimension.
Hinzu kommt: Die Interaktion zwischen Arzt und Patient wird nicht berücksichtigt. Diese Aufgabe wird aber bei einer wachsenden Zahl älterer und multimorbider Patienten immer herausfordernder.
Es ist gegenwärtig nicht sichtbar, in welcher Weise die Institutionen der ärztlichen Selbstverwaltung - die Ärztekammern und die KVen - wirklich hilfreiche Konzepte für die Praxis entwickeln. So bleibt der Arzt am Ende einstweilen auf sich selbst gestellt.
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