Juristische Untiefen bei der Nutzenbewertung?

Bei der frühen Nutzenbewertung spielen die Kassen an zwei Schnittstellen eine aktive Rolle. Das könnte allerdings zu rechtlichen Problemen führen.

Veröffentlicht:
Arznei unter der Lupe - mit Fallstricken.

Arznei unter der Lupe - mit Fallstricken.

© unpict / fotolia.com

KÖLN (iss). Das Verfahren der frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln hat einen Webfehler: Es schreibt den Krankenkassen sowohl eine aktive Rolle bei den Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) zu als auch bei den auf ihnen aufbauenden Preisverhandlungen.

Und zwar in den Fällen, in denen der Ausschuss von der Empfehlung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) abweicht. Darauf macht der Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft Dr. Johannes Bruns aufmerksam.

"Wenn der Bundesausschuss nicht das macht, was das IQWiG vorschlägt, gilt das Prinzip der Gewaltenteilung nicht mehr", sagte Bruns auf der MCC-Fachkonferenz "Onkologie 2012" in Köln.

Ändert der Ausschuss den Vorschlag des Instituts, ist der GKV-Spitzenverband daran direkt beteiligt. "Das ist juristisch kritisch, denn er kann damit die Bedingungen für die dann folgenden Preisverhandlungen mit der Pharmaindustrie verbessern", sagte Bruns.

Stand der Medizin nicht widergespiegelt?

Ein Ausweg aus diesem Dilemma wäre es, wenn die Preisfestsetzung für die bewerteten Arzneimittel auf einem anderen Weg erfolgen würde. Die Politik habe aber bewusst auf eine Festsetzung der Preise verzichtet und auf Verhandlungen gesetzt, sagte er.

Um eine zu starke Stellung der Krankenkassen zu verhindern, wäre eine andere Möglichkeit, dass sie sich bei den entsprechenden Beschlüssen des GBA enthalten. Das hält Bruns nicht für wahrscheinlich.

"Je häufiger es zu einer Diskrepanz zwischen den GBA-Beschlüssen und der IQWiG-Empfehlung kommen wird, desto stärker wird dieses Thema die Juristen umtreiben."

Die Problematik wird nach seiner Einschätzung dadurch verschärft, dass der Preis-Aspekt bei den GBA-Entscheidungen ohnehin eine zentrale Rolle spielt. "Wir sind noch lange nicht so weit, dass die Beschlüsse den Stand der Medizin richtig widerspiegeln", sagte er.

Auch spiele die Bedeutung der Arzneimittel in der Patientenversorgung eine viel zu geringe Rolle. "Bei der frühen Nutzenbewertung ist vieles noch nicht adäquat und versorgungsnah geregelt."

Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Wo lang im Gesundheitswesen? Der SVR Gesundheit und Pflege empfiehlt mehr Richtungspfeile für alle Akteure.

© StefanieBaum / stock.adobe.com

Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege

Gesundheitsweise empfehlen Primärversorgung für alle – und Quotierung der Weiterbildung

„Wenn die Politik Wissenschaftlern sagen würde, wir wollen dieses oder jenes Ergebnis, ist das Propaganda.“ Klaus Überla – hier im Treppenhaus seines Instituts – über Einmischungen aus der Politik.

© Patty Varasano für die Ärzte Zeitung

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

Dr. Iris Dötsch Fachärztin für Innere Medizin, Diabetologin und Ernährungsmedizinerin hat die Hauptstadtdiabetologinnen, eines neues Netzwerk für Frauen in der Diabetologie, gegründet.

© snyGGG / stock.adobe.com

Hauptstadtdiabetologinnen

Ein Netzwerk für Diabetologinnen