Hintergrund

Deutschland ist noch attraktivster Markt für Innovationen

So groß wie in Deutschland ist das Angebot an Arzneiinnovationen sonst nur in den USA. Diesen Spitzenplatz gilt es zu verteidigen. Demnächst werden wahrscheinlich wieder mehr neue Wirkstoffe die Pipelines in Richtung Markt verlassen als in den vergangenen Jahren.

Von Bertold Schmitt-Feuerbach Veröffentlicht:

Das IMS Institute for Healthcare Informatics hat seine aktuelle Prognose über die Entwicklung der Arzneimittelversorgung in den kommenden Jahren veröffentlicht (The Global Use of Medicines: Outlook Through 2016). Darin prognostizieren die Autoren, dass von 2012 bis 2016 jährlich etwa 32 bis 37 Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen oder neuen Wirkstoffkombinationen (New Molecular Entities, NME) auf den Markt kommen werden.

Insgesamt dürfte die Ausbeute mit weltweit 160 bis 185 neuen Substanzen im aktuellen Fünfjahreszeitraum die der vergangenen fünf Jahre (142) deutlich übertreffen. Das zum führenden Gesundheitsmarktforscher IMS Health gehörende Institut erwartet Fortschritte vor allem bei Alzheimer, Autoimmunkrankheiten, Diabetes, Krebserkrankungen sowie für Arzneimittel gegen seltene Krankheiten.

Nicht jedes Arzneimittel wird in jedem Land verfügbar sein

Die Arzneimittel werden nicht alle in jedem Land zur Verfügung stehen, einige sind ja, wie etwa Präparate gegen Tropenkrankheiten, nur für bestimmte Weltregionen vorgesehen. Aber generell gilt: Die Hersteller bringen ihre Produkte häufig zuerst in den wirtschaftlich attraktivsten Ländern auf den Markt, wie der Bericht feststellt.

Offenbar ist der deutsche Markt für forschende Arzneimittelhersteller besonders attraktiv, jedenfalls bisher. Denn hier und in den USA waren Ende 2011 mehr NME verfügbar als in jedem anderen Land, wie die Analyse zeigt. Von den 140 zwischen 2006 und 2010 weltweit eingeführten Substanzen waren zum Erhebungszeitpunkt in beiden Ländern jeweils 91 oder 65 Prozent im Markt.

Die Größe des Marktes, gemessen an den Arzneimittelausgaben, mag dabei eine Rolle spielen, aber ausschlaggebend ist sie sicher nicht, wie andere Daten aus dem Report zeigen.

So steht der deutsche Markt weltweit nur auf Platz vier und wird auf dieser Position spätestens 2016 von Brasilien verdrängt werden (siehe Grafik). Dagegen waren in Japan, dem zweitgrößten Markt (2016: Platz 3), Ende 2011 nur 44 Prozent der NME verfügbar. Das ist eine der niedrigsten Quoten unter den entwickelten Märkten.

Japan verlangt alle zwei Jahre Preissenkungen

Was macht also die Attraktivität des deutschen Marktes für neue Therapeutika aus? Wie schnell diese Ärzten zur Verfügung stehen, hängt dem Bericht zufolge stark davon ab, wie Preise und Erstattung geregelt sind. Japan hatte da bisher schlechte Karten, denn die Regierung hat es sich zur Angewohnheit werden lassen, den Herstellern alle zwei Jahre Preissenkungen zu verordnen.

In Deutschland war die Preisgestaltung für neue Wirkstoffe bis vor Kurzem noch nicht reguliert, sieht man von Zwangsrabatten ab und von der Möglichkeit, auch patentgeschützten Arzneimitteln einen Festbetrag zu verpassen.

Die relativ komfortable Position im weltweiten Arzneimittelangebot könnte jedoch verloren gehen. In der global ausgerichteten Analyse des IMS-Instituts findet sich dazu nur eine Randbemerkung, die allerdings zu denken gibt. Kürzlich eingeführte Regelungen könnten den deutschen Markt weniger attraktiv machen, heißt es.

Erste Unternehmen haben das Handtuch geworfen

Tatsächlich wurden die Karten für die Branche neu gemischt. Seit für neue Wirkstoffe der Zusatznutzen belegt werden muss, quasi als Ticket für anschließende Preisverhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband, kommt es zwischen dem GBA und Herstellern immer wieder zum Streit um die Vergleichstherapie. Einzelne Unternehmen haben schon entnervt das Handtuch geworfen und Arzneimittel aus dem deutschen Markt genommen (Trobalt) oder gar nicht erst eingeführt (Linagliptin).

Andernfalls hätten sie, so die Begründung, ihre Innovationen in den Verhandlungen um den Erstattungspreis mit Generika messen müssen. Ungemach droht auch daher, dass Deutschland Referenzland für die Preisfestsetzung in vielen anderen Ländern ist, die Erstattungspreise aber nicht vertraulich bleiben.

Auch dadurch könnte die eine oder andere Arzneimittelpremiere verlegt werden, denn veröffentlichte Rabatte an die GKV könnten einen entsprechenden Preisverfall in anderen Ländern nach sich ziehen.

Ohnehin werden die Arzneiausgaben in den fünf größten europäischen Märkten in den nächsten Jahren kaum zunehmen. IMS rechnet bis 2016 mit maximal zwei Prozent Plus gegenüber einem bis vier Prozent in den USA.

Am stärksten, um zwölf bis 15 Prozent, werden die Ausgaben in den aufstrebenden, sogenannten "Pharmerging"-Märkten steigen, zu denen der Bericht zum Beispiel Länder wie China, Brasilien, Indien oder Polen zählt. Weltweit würden für Arzneimittel im Jahr 2016 etwa 1,2 Billionen Dollar (umgerechnet 918 Milliarden Euro) ausgegeben, nach 956 Milliarden Dollar 2011.

Der Report kann beim IMS Institute for Healthcare online bestellt werden.

Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Ulrike Elsner

© Rolf Schulten

Interview

vdek-Chefin Elsner: „Es werden munter weiter Lasten auf die GKV verlagert!“