Schwarz-rote Arzneipolitik

Der Interventionismus bleibt

"Planwirtschaft" - schimpfen die Verbände der Pharmaindustrie über die Beschlüsse der künftigen Großkoalitionäre. Allerdings machen diese Vereinbarungen die Geschäfte vor allem der forschenden Unternehmen wieder berechenbar.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:

BERLIN. Gefreut hat sich am Montagabend nach der Bekanntgabe der Beschlüsse durch die Arbeitsgruppe Gesundheit von Union und SPD vor allem einer: Josef Hecken, der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses.

Seit dem Frühsommer hatte Hecken, der im Bundesausschuss federführend für die Nutzenbewertung zuständig ist, dafür geworben, die Aufarbeitung des Bestandsmarktes aufzugeben und stattdessen die Rabattpolitik in Kombination mit einem Preismoratorium zu verlängern.

Mit dem Verweis darauf, dass dies auch für die betroffenen Unternehmen planbare Verhältnisse schaffe, schien es fast so, als ob der GBA-Chef fürsorgliche Gefühle für die in der letzten Legislaturperiode gebeutelte Branche hege.

Die Verbände der pharmazeutischen Industrie schäumten. Sie pochten auf Einhaltung des geltenden Rechts. Und das sieht vor, dass der Rabatt auf Arzneien ohne Festbetrag von 16 auf sechs Prozent zum 1. Januar 2014 sinkt und das Preismoratorium entfällt.

Doch der Gesetzgeber ist souverän, er kann Gesetze jederzeit ändern. Und Berliner Insider haben in den vergangenen Monaten jede Variante für möglich gehalten.

Der jetzt gefasste Beschluss weist freilich einige Makel auf, die nicht zu Unrecht kritisiert werden: Auch der neue Rabatt (sieben Prozent) mit fortgesetztem Preisstopp ist Interventionismus pur. Markt sieht anders aus. Die Unternehmen haben keine Chance, gestiegene Kosten weiterzuwälzen.

Gliptine vermutlich nicht betroffen

Auf der anderen Seite stehen Vorteile, wie Hecken sagt: "Nun haben alle Beteiligten Planungssicherheit, und schwierige Rechtsfragen auch im Zusammenhang mit der Festsetzung der zweckmäßigen Vergleichstherapie erübrigen sich auf diese Weise, ebenso wie die Schwierigkeit, alte Studien mit schlechter Evidenz für eine Nutzenbewertung heranziehen zu müssen."

Ein Beschluss des GBA vom April ist damit vom Tisch: der Aufruf zur Nutzenbewertung im Bestandsmarkt für eine erste Tranche.

Betroffen waren Tapentadol (starke chronische Schmerzen), Denosumab, Ranelicsäure/Distrontiumsalz, Parathyroidhormon/rekombiniert, Teriparatid (Osteoporose), Rivaroxaban, Dabigatran (Vorhofflimmern, Schlaganfallprophylaxe, tiefe Venenthrombosen), Liraglutid, Exenatid (Diabetes II), Agomelatin, Duloxetin (Depression), Tocilizumab, Golimumab, Certolizumab pegol (rheumatoide Arthritis).

Wahrscheinlich nicht betroffen sind die bereits bewerteten Gliptine, für die derzeit die Erstattungsbetragsverhandlungen zwischen Herstellern und GKV-Spitzenverband laufen.

Der hat im übrigen die neue Rabattsituation näherungsweise zutreffend in einer Zielvereinbarung mit der KBV für 2014 eingepreist: Dass der Rabatt sieben statt wie angenommen sechs Prozent beträgt, müsse eventuell noch korrigiert werden. Die Differenz wird auf 100 bis 150 Millionen Euro geschätzt.

Und die Regelung wird wahrscheinlich schnell kommen: Ein Kabinettsbeschluss wird noch 2013 erwartet, das Gesetz selbst kann dann auch rückwirkend in Kraft treten.

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