Transparenz IV

Kodex sichert Freiheit bei Arzneiverordnungen

Über die gesetzlichen Anforderungen hinaus haben sich die im vfa organisierten forschenden Pharma-Unternehmen für ihr Wettbewerbsverhalten einen Kodex verordnet. Er regelt vor allem die Beziehungen zu Ärzten. Fehlverhalten wird mit Rügen und Geldbußen von bis 400.000 Euro geahndet.

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Jede funktionierende Wirtschaft basiert auf Austauschbeziehungen. In einer wettbewerblich orientierten Wirtschaft sind Wahlakte notwendig, die ihrerseits auf Informationen beruhen. Im weitesten Sinne gehört dazu auch Werbung.

Transparenz-Special

In der Medizin und bei Arzneimitteln im speziellen ist der Markt jedoch gesetzlich reguliert. Um das Risiko des Fehlgebrauchs zu minimieren, dürfen rezeptpflichtige Arzneimittel nur in Fachkreisen beworben werden. Folglich sind Ärzte für die Hersteller dieser Medikamente wichtige Partner und Zielgruppen.

Ärzte sind dabei nicht nur passive Empfänger von Information und Werbung - sie sind auch aktive Partner in der Zusammenarbeit mit Arzneimittelherstellern: das gilt beispielsweise für klinische Studien und Anwendungsbeobachtungen oder auch für Fortbildungsveranstaltungen, die von Ärzten organisiert, aber von der Industrie (mit-)finanziert werden.

Vor dem Hintergrund einer langen Debatte über Fehlverhalten und Auswüchse bei der Vermarktung von Arzneimitteln haben die Mitgliedsunternehmen des Verbandes Forschender Pharma-Unternehmen (vfa) Anfang 2004 einen Kodex als Selbstregulativ beschlossen und die Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie (FSA) als Verein gegründet, die mögliche Kodexverstöße beurteilt und sanktioniert. Der Kodex ist als Wettbewerbsregel vom Bundeskartellamt genehmigt.

Vier wichtige Grundprinzipien

Der Kodex beruht auf vier Grundprinzipien, die in der Zusammenarbeit von Ärzten und Industrie eingehalten werden müssen.

Trennung: eine Kooperation muss von einer konkreten Verordnungsentscheidung des Arztes getrennt sein; die Therapiefreiheit und -verantwortung des Arztes darf nicht beeinträchtigt werden.

Transparenz: die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Arzneimittelherstellern muss transparent sein. Mit dem europäischen Transparenz-Kodex wird dies nun weiter konkretisiert.

Dokumentation: Kooperationen müssen schriftlich fixiert sein.

Äquivalenz: Das gezahlte Honorar muss in einem angemessenen Verhältnis zur Leistung des Arztes stehen. Ein Maßstab dafür kann die GOÄ sein; Honorare können auch in Stunden- oder Tagessätzen definiert sein.

Normadressaten des Kodex sind die Mitgliedsunternehmen des vfa, deren Töchter und auch verbundene Unternehmen. Gebunden an den Kodex sind auch Auftragnehmer dieser Unternehmen, etwa Werbeagenturen, Berater, Mietaußendienste oder Marktforschungsunternehmen.

Die Grundregel der Zusammenarbeit mit Ärzten regelt Paragraf 6 des Kodex: "Die Angehörigen der Fachkreise dürfen in ihren Therapie-, Verordnungs- und Beschaffungsentscheidungen nicht in unlauterer Weise beeinflusst werden. Es ist daher verboten, ihnen oder einem Dritten unlautere Vorteile anzubieten, zu versprechen oder zu gewähren... Unlauter sind insbesondere Vorteile, die unter Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze des für die Angehörigen der Fachkreise geltenden Berufsrechts gewährt werden."

Details einer Zusammenarbeit regelt Paragraf 18: Bei der Leistung eines Arztes muss es sich um eine fachliche und bedarfsgerechte Tätigkeit handeln. Damit sollen Scheinverträge ausgeschlossen werden. Die Vergütung darf nur in Geld bestehen.

Bei Vorträgen oder Publikationen muss transparent sein, dass es sich um eine Tätigkeit für einen Hersteller handelt. Für die Bereitschaft, Pharma-Berater zu empfangen, darf kein Entgelt gewährt werden.

Meldepflichten für AWB

Für nichtinterventionelle Studien mit zugelassenen Arzneimitteln (Anwendungsbeobachtungen) gilt: Sie müssen einen wissenschaftlichen Zweck erfüllen und unter der Verantwortung des medizinischen Leiters des Unternehmens durchgeführt werden. Das gilt auch für die Auswahl und Ansprache der teilnehmenden Ärzte.

Grundlage der Teilnahme eines Arztes ist ein schriftlich abgeschlossener Vertrag. In die Studie einbezogene Patienten müssen zuvor schriftlich aufgeklärt werden und auch schriftlich in ihre Teilnahme einwilligen.

Der Kodex empfiehlt daher auch eine Beratung durch eine Ethikkommission. Das Unternehmen muss ferner der KBV, dem GKV-Spitzenverband und dem PKV-Verband Ort, Zeit, Ziel und Behandlungsplan der Studie angeben und der KBV und GKV auch die beteiligten Ärzte mit Angabe der lebenslangen Arztnummer benennen.

Bei Vertragsärzten muss das Unternehmen auch über die gezahlte Vergütung informieren. Alle AWB müssen vor ihrem Start öffentlich zugänglich registriert werden.

Die Ergebnisse der Studie müssen zwölf Monate nach Abschluss in einer Zusammenfassung den teilnehmenden Ärzten und der Öffentlichkeit (per Internet) zur Verfügung gestellt werden. Für die Nutzen-Risiko-Bewertung relevante Ergebnisse müssen den Arzneimittelbehörden mitgeteilt werden.

Das Reglement für Fortbildung

In der Vergangenheit öfter streitanfällig waren von Herstellern organisierte oder unterstützte Fortbildungsveranstaltungen. Angemessene Reise- und Übernachtungskosten dürfen nur dann übernommen werden, wenn der berufsbezogene wissenschaftliche Charakter der Fortbildung eindeutig im Vordergrund steht.

Unterhaltungsprogramme - auch kultureller Natur - dürfen weder finanziert noch organisiert werden. Kosten für Begleitpersonen dürfen nicht übernommen werden.

Handelt es sich um einen ärztlichen Veranstalter, so muss dieser Art und Inhalt der Veranstaltung bestimmen.

Die Unterstützung von internationalen Veranstaltungen ist nur zulässig, wenn die Mehrzahl der Teilnehmer aus dem Ausland kommt oder nur im Ausland die Ressourcen - etwa internationale Referenten bei internationalen Fachkongressen - zur Verfügung stehen.

Weitere Informationen und Dokumente: www.fs-arzneimittelindustrie.de

Wie werden Kodex-Verstöße gemeldet?

Jedermann, der vermutet, dass sich ein pharmazeutisches Unternehmen nicht korrekt verhalten hat, kann dies bei der Freiwilligen Selbstkontrolle Arzneimittelindustrie melden und Fehlverhalten beanstanden.

Hierzu ist lediglich erforderlich, die Website www.fs-arzneimittelindustrie.de (alternativ auch bei Google: FSA) aufzurufen. Bereits auf der Startseite gibt es einen Button "Fehlverhalten melden - Beanstandungsformular".

Mit konkreten Fragen wird der Sachverhalt ermittelt:

Welches Unternehmen beanstanden Sie?

Welches Verhalten beanstanden Sie konkret? Bitte beschreiben Sie den Sachverhalt möglichst exakt.

Wann fand die beanstandete Maßnahme statt? Bitte geben Sie ein genaues Datum bzw. einen genauen Zeitraum an.

Wo bzw. in welchem Rahmen fand die beanstandete Maßnahme statt. Bitte nennen Sie den Ort bzw. den Anlass.

Wer war neben dem Unternehmen noch beteiligt, zum Beispiel Ärzte, Apotheker, Patientenorganisationen, Patienten oder andere?

Wurde die beanstandete Maßnahme vom Unternehmen selbst durchgeführt oder waren Dritte (zum Beispiel Berater, Agenturen, Marktforschungsunternehmen) an der Organisation beteiligt?

Der Arzt kann entscheiden, ob er bei seiner Beanstandung anonym bleiben will oder ob er seinen Namen und seine Kontaktadresse nennen möchte. Letzteres ermöglicht natürlich Rückfragen und kann die Aufklärung erleichtern. Mit einer Beanstandung muss sich die Schiedsstelle der FSA befassen und beurteilen, ob ein Kodex-Verstoß vorliegt.

Kodex auch für Kooperation mit Patienten

Mit dem im Oktober 2008 in Kraft getretenen Kodex Patientenorganisationen binden sich die Arzneimittelhersteller an den Grundsatz, die Neutralität und Unabhängigkeit von Patientenorganisationen zu achten. Die Selbsthilfegruppen andererseits verpflichten sich damit, keine Empfehlungen für verschreibungspflichtige Arzneimittel auszusprechen.

Für die Zusammenarbeit zwischen Arzneimittelhersteller und Patientenorganisationen müssen schriftliche Vereinbarungen abgeschlossen werden, finanzielle Zuwendungen müssen transparent gemacht werden.

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