Transparenz

Kodex contra Korruption

Die forschenden Pharma-Unternehmen schlagen ein neues Kapitel in Sachen Transparenz auf. Die gläsernen Verhältnisse zwischen Ärzten und Firmen sollen Vertrauen schaffen.

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BERLIN. Die Zahl ist groß und hässlich: Möglicherweise über 20 Milliarden Euro werden im deutschen Gesundheitswesen jährlich aufgrund von Korruptionsbeziehungen umgesetzt. Urheber dieser Zahl ist Transparency International, eine Organisation, die sich die Korruptionsbekämpfung auf die Fahnen geschrieben hat.

Transparenz-Special

Belastbare Untersuchungen zum Ausmaß von Bestechlichkeit im deutschen Medizinsystem gibt es nicht - Transparency verweist vielmehr auf Schätzungen amerikanischer und britischer Gesundheitsexperten, wonach "drei bis zehn Prozent der Ausgaben im Gesundheitssektor durch Betrug und Korruption verschleudert werden. Es besteht kein Grund zu der Annahme, dass dieser Anteil in Deutschland geringer ausfällt."

Trotz dürftiger Evidenz hat allein der Verdacht, der über den Ärzten und ihr Verhältnis zur pharmazeutischen Industrie schwebt, politisch durchschlagende Wirkung.

Dafür gibt es einen triftigen Grund: Wie kein anderer Beruf qualifizieren sich Ärzte durch das Vertrauen ihrer Patienten in Integrität und Unabhängigkeit.

Welche enorme Rolle Vertrauen in der Medizin spielt, zeigt sich aktuell in der Transplantationsmedizin: Regelverstöße weniger Transplantationsmediziner dürften die wesentliche Ursache dafür sein, dass in diesem Jahr 13 Prozent weniger Organe gespendet werden. Es wird lange dauern, erschüttertes Vertrauen wieder aufzubauen.

Vertrauen wurde auch zerstört, weil es in der Vergangenheit Einzelfälle gegeben hat, in denen Ärzte sich von Pharma-Unternehmen für Arzneiverordnungen haben belohnen lassen. Ein Straftatbestand ist das jedoch bislang nicht. Denn im Juni 2012 hat der Große Strafsenat des Bundesgerichtshofs entschieden, dass Vertragsärzte keine "Amtsträger" oder "Beauftragten" der Krankenkassen sind.

Seitdem ist der Ball bei der Politik - und die muss nur noch entscheiden, wie der Ball gespielt werden soll. In der vergangenen Legislaturperiode hatten CDU/CSU und FDP entschieden, einen Straftatbestand der Korruption für Vertragsärzte und andere Therapeuten in das SGB V aufzunehmen.

Die Ärzteschaft, allen voran die Bundesärztekammer, hatte dagegen für eine Regelung im allgemeinen Strafrecht plädiert.

Ihr kam es vor allem darauf an, dass sich eine strafrechtliche Sanktionierung nicht nur gegen Vertragsärzte, sondern gegen alle Akteure im Gesundheitswesen richten müsse. Für diese Position spricht, dass auch privat versicherte Patienten einen Anspruch auf integres Handeln ihrer Ärzte haben.

Da die Gesetzesinitiative der schwarz-gelben Koalition in der letzten Legislaturperiode am Einspruch des Bundesrates gescheitert ist, ist ein neuer Anlauf nötig. Nach der Koalitionsvereinbarung von Union und SPD soll ein neuer Straftatbestand der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen geschaffen werden.

Viel weiter sind untergesetzliche Normen entwickelt: einerseits das ärztliche Berufsrecht, andererseits der Kodex durch die Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie (FSA), die sich komplementär zueinander verhalten.

Das ärztliche Berufsrecht zielt darauf ab, die Unabhängigkeit medizinischer Entscheidungen der Ärzte zu sichern. Die Annahme von Geschenken oder anderen Vorteilen ist nach der Musterberufsordnung schon dann nicht gestattet, wenn dadurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird.

Eine Ausnahme gilt für die berufsbezogene Fortbildung: Hier ist die Annahme von geldwerten Vorteilen erlaubt, allerdings ist nur die Erstattung von Reisekosten und Tagungsgebühren angemessen.

Für das Sponsoring von Fortbildungsveranstaltungen durch pharmazeutische Unternehmen gilt: es muss angemessen und transparent sein. Ärzte dürfen Leistungen für Hersteller von Arzneimitteln oder Medizinprodukten erbringen - aber das Preis-Leistungs-Verhältnis muss angemessen sein. Und: Vereinbarungen darüber müssen schriftlich fixiert und sollen der Ärztekammer vorgelegt werden.

Weitaus detaillierter als die ärztliche Berufsordnung ist das dazu spiegelbildliche Reglement, der Kodex der Freiwilligen Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie (FSA). Er steckt inzwischen außerordentlich präzise den Rahmen der Zusammenarbeit mit Ärzten ab. Vor allem: Vorstöße werden hart sanktioniert - im schlimmsten Fall mit Geldbußen bis zu 400.000 Euro und einer öffentlichen Rüge.

Die neueste Entwicklung ist mit einer Initiative des Dachverbandes der europäischen Pharmaverbände (EFPIA) im Juni 2013 eingeleitet worden. Es handelt sich um einen europäischen Transparenzkodex, den die Mitglieder des Verbandes Forschender Pharma-Unternehmen (vfa) mittels des von ihm gegründeten Vereins FSA mit Beschluss vom 27. November eins zu eins in Deutschland umgesetzt haben.

Dieses Reglement betrifft die Ärzte unmittelbar, weil es sie persönlich mit ihren Leistungen für Unternehmen der pharmazeutischen Industrie transparent machen wird.

Hierfür gibt es zwei unterschiedliche Transparenzstufen:

  • eine individuelle Veröffentlichung der Zuwendungen unter namentlicher Nennung des Empfängers und der Angabe seiner Adresse ist bei Zuwendungen im Zusammenhang mit Fortbildungsveranstaltungen sowie bei Zahlung von Dienstleistungs- oder Beratungshonoraren vorgesehen;
  • eine zusammengefasste Veröffentlichung ohne Nennung der individuellen Empfänger ist bei Zuwendungen im Zusammenhang mit Forschung und Entwicklung vorgesehen, zum Beispiel bei klinischen Prüfungen.
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