EU-Kommisson

700 Generika-Zulassungen widerrufen

In Indien wurden Arznei-Studien gefälscht. Jetzt zieht die EU-Kommission Konsequenzen - und widerruft die Zulassung von rund 700 generischen Arzneimitteln.

Von Thomas Friedrich Veröffentlicht:
Europaflaggen vor der Europäischen Kommission in Brüssel.

Europaflaggen vor der Europäischen Kommission in Brüssel.

© Daniel Kalker / dpa

BRÜSSEL. Die EU-Kommission zieht Konsequenzen aus dem Fälschungsskandal um den indischen Medizindienstleister GVK Biosciences.

Am Mittwoch bestätigte die Kommission die Empfehlung der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) und widerrief die Zulassung von rund 700 generischen Arzneien auf dem europäischen Markt.

"In Deutschland sind davon knapp 50 Zulassungen betroffen", bestätigte eine Sprecherin der EU-Kommission auf Anfrage der "Ärzte Zeitung".

Bereits Ende letzten Jahres hatte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), aufgrund von eingeleiteten Ermittlungen wegen Fälschungsverdachts gegen das indische Labor 80 Arzneimittelzulassungen vorläufig ausgesetzt.

Aufgeflogen waren die unseriösen Praktiken des indischen Unternehmens in Hyderabad, wo viele große Arzneimittelhersteller aus der ganzen Welt ihre Substanzen und Arzneimittel vor Antragstellung bei den Zulassungsbehörden prüfen lassen, durch Recherchen der Behörde für Arzneimittelsicherheit (ANSM) in Frankreich.

Die ANSM hatte Belege zutage gefördert, dass GVK Biosciences gegen Grundsätze des Good Clinical Practice verstoßen haben soll.

Die französische Behörde ist seit dem Brustimplantate-Skandal der französischen Herstellerfirma PIP, die ungeeignete Silikonprodukte verwendet hatte, besonders wachsam geworden.

Allein in Deutschland waren rund 5000 Frauen betroffen von Entzündungen und Krebsrisiko; ein Teil musste sich erneut operieren lassen.

Keine validierten Daten

Das von allen EU-Mitgliedstaaten getragene Komitee für Humanmedizinprodukte (CHMP) hatte im Januar 2015 ein Wiederaufrollen der Genehmigungsverfahren von rund 700 Arzneien in der gesamten EU, die auf Expertisen des in Misskredit geratenen indischen Medizinlabors GVK Bioscience beruhten, gefordert.

Nach genauer Prüfung der fast 1000 auf GVK-Expertisen beruhenden Arzneizulassungen durch die in London ansässige EMA entschieden die Mitgliedstaaten gemeinsam, für 700 Zulassungen, für die keine validierten Daten von anderen Zertifizierungsstellen vorlagen, endgültig die Marktzulassung und das Inverkehrbringen zu untersagen.

"Die Entscheidung wurde getroffen, weil wir es mit einem Fälschungsskandal zu tun haben. Die Arzneimittelsicherheit und Gesundheit der EU-Bürger ist in keiner Weise beeinträchtigt", versicherte ein EU-Kommissionsbeamter.

Innerhalb von vier Wochen müssen die Mitgliedstaaten diese Entscheidung umsetzen, bestätigte eine Kommissionssprecherin der "Ärzte Zeitung" die Auswirkungen. Stichtag ist demnach der 21. August 2015.

Ein Großteil der Hersteller - vor allem von betroffenen Generika - hat inzwischen die Produktion und den Vertrieb auf dem deutschen Markt gestoppt.

Die EU-Kommission hat unterdessen die komplette Liste der betreffenden Arzneimittel, ihrer Hersteller oder Zwischenhändler veröffentlicht.

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