AMNOG-Reform

Das fordern die Spitzenverbände

Zu einer ersten nichtöffentlichen Anhörung zum Referentenentwurf des Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetzes hatte das Bundesgesundheitsministerium am Dienstag geladen.

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Inhalt des Gesetzes, das zum 1. Januar 2017 in Kraft treten soll, sind Korrekturen der frühen Nutzenbewertung. Geplant ist unter anderem ein Arznei-Infosystem für Ärzte.

Wir stellen die Positionen von KBV, GKV-Spitzenverband und der forschenden Industrie zu den wesentlichen Punkten gegenüber.

Von Helmut Laschet

Verordnungseinschränkung durch den GBA: §§ 35a Absatz 1 ,92 Absatz 2

KBV: Die KBV sieht darin eine gesetzliche Klarstellung, die aber noch weiter präzisiert werden muss: Ziel müsse die Sicherstellung der Versorgung einzelner Patientengruppen sein. Die Möglichkeit der Verordnungseinschränkung sollte nur für solche Patientengruppen gegeben sein, für die keine ausreichende medikamentöse Therapie zur Verfügung steht.

GKV: Der GKV-Spitzenverband kritisiert Unklarheiten der Regelung. Ausgeschlossene Patientengruppen müssten klar abgrenzbar sein. Das Antragsrecht auf Verordnungseinschränkung müsse sowohl beim GBA wie auch beim Hersteller liegen. Empfehlung der Kassen: Der GBA regelt das Nähere in seiner Verfahrensordnung.

vfa: Dieser „weitreichende Eingriff“ stehe den Vereinbarungen des Pharmadialogs „diametral entgegen“. Eine Einschränkung der Erstattungsfähigkeit wäre allenfalls in Ausnahmen und nur auf Antrag eines Herstellers gerechtfertigt.

Arznei-Infosystem für Ärzte: §§ 35 Absatz 3a, 92 Absatz 2

KBV: Das Instrument wird von der KBV begrüßt, der Zweck soll auf Informationen beschränkt werden, die aus der Nutzenbewertung resultieren. Diese müssten in Praxisverwaltungssysteme integriert werden. Hierfür müssten die Voraussetzungen durch die Telematik-Infrastruktur geschaffen werden. Dazu macht die KBV Vorschläge.

GKV: Die Abbildung der Nutzenbewertung in der Praxissoftware schafft ein höchstmögliches Maß an Transparenz. Anforderungen: vollständige Darstellung der GBA-Beschlüsse zeitgleich mit der Beschlussfassung, 14-tägige Aktualisierung, einfache Zugänglichkeit, Hinweise zur Wirtschaftlichkeit der Verordnung.

vfa: Die Regelung wird begrüßt. Das Infosystem dürfe nicht die Therapiefreiheit einschränken und der Kostenkontrolle durch Kassen dienen. Der Arzt müsse wissen, dass ein Erstattungsbetrag vereinbart ist und GKV und Hersteller die Preisverantwortung übernehmen. Regionale Vereinbarungen dürfen nicht im Widerspruch zum Arznei-Infosystem stehen.

Vorzeitige Nutzenbewertung: § 35 Absatz 5

KBV: Die bisherige Ein-Jahres-Frist für eine Neubewertung ist für die KBV nachvollziehbar, da in Einzelfällen bereits sehr früh nach Markteintritt, jedoch zu spät für die erste Nutzenbewertung neue relevante Erkenntnisse vorliegen können.

GKV: Der GKV-Spitzenverband lehnt das ab, weil dadurch in laufende Verhandlungen über den Erstattungsbetrag oder in das Verfahren des Schiedsamts eingegriffen werden könnte. Hersteller könnten den AMNOG-Prozess strategisch behindern.

vfa: Der vfa begrüßt die Regelung. Voraussetzung für eine erneute vorzeitige Bewertung – gleichermaßen bindend für Hersteller und GBA – müssten wesentliche neue wissenschaftliche Erkenntnisse sein. Bemängelt wird, dass letztendlich der GBA entscheidet, ob eine erneute vorzeitige Nutzenbewertung stattfindet.

Nutzenbewertung im Bestandsmarkt bei neuer Indikation: § 35 Absatz 6

KBV: Eine unbedingt nötige Regelung bei völlig neuen Indikationen. Die KBV verweist auf das Beispiel Alemtuzumab (Indikationswechsel von Leukämie zu MS). Sinnvoller wäre es aus der Sicht der KBV, für alle Arzneimittel aus dem Bestandsmarkt (zugelassen vor Inkrafttreten des AMNOG am 1. Januar 2011) eine Nutzenbewertung zu ermöglichen.

GKV: Die Kassen befürworten die Reglung. Die Beschränkung auf wenige Ausnahmefälle sei aber im Sinne einer qualitätsgesicherten und wirtschaftlichen Versorgung nicht ausreichend. Jedes neue Anwendungsgebiet, insbesondere durch Änderung der Patientenpopulationen oder neue Kombinationen, sollte eine Nutzenbewertung nach sich ziehen.

vfa: Die Regelung stehe im Widerspruch zum Konsens des Pharmadialogs. Danach sollten Nutzenbewertungen im Bestandsmarkt auf wenige Ausnahmen beschränkt bleiben, und zwar auf vollständig neue Zulassungen, für die auch ein Unterlagenschutz zugestanden worden ist.

Begleitdiagnostik: § 87 Absatz 2 und 5b

KBV: Die KBV schlägt eine Erweiterung auf Diagnostika zum gezielten Einsatz von Antimykotika und Virustatika (neben Antibiotika) vor. Für eine Entscheidung des Bewertungsausschusses über Companion Diagnostik fordert die KBV mehr Zeit: nicht zeitgleich mit dem Nutzenbewertungsbeschluss des GBA, sondern sechs Monate danach.

GKV: Die Regelung zu Antibiotika-Diagnostika wird für entbehrlich gehalten, weil schon jetzt die Verfahrensordnung eine zügige Integration in den EBM vorsehe. Für Companion Diagnostika lehnt die GKV einen mit der Nutzenbewertung des GBA zeitgleichen Beschluss des Bewertungsausschusses ab und fordert zusätzlich sechs Monate Zeit.

vfa: Der vfa begrüßt die Regelungen zur Aufnahme von Antibiotika-Schnelltests und Companion-Diagnostika. Unvollständig gelöst sei aber die Finanzierung der Leistungen. Mit der Regelung sollten nicht allein diagnostische Leistungen, sondern sämtliche ärztliche Leistungen angesprochen werden.

Verlängerung des Preismoratoriums bis Ende 2022: § 130b

KBV: Die Verlängerung des Preisstopps ist für die KBV „nachvollziehbar“. Mit dem möglichen Inflationsausgleich ab 2018 seien Belange der Unternehmer berücksichtigt.

GKV: Der verlängerte Preisstopp ist „erforderlich und wird befürwortet“. Ohne Preismoratorium wäre mit erheblichen Ausgabensteigerungen zu rechnen – mit Relevanz für den Zusatzbeitrag. Die finanzielle Ausstattung der Pharma-Unternehmen sei „überdurchnittlich gut“. Für den Inflationsausgleich werden technische Probleme geltend gemacht.

vfa: „Aus ordnungspolitischen und verfassungsrechtlichen Gründen entschieden abzulehnen.“ Es fehle an einer Notlage der gesetzlichen Krankenversicherung, insofern sei der Eingriff „unverhältnismäßig“. Dies werde auch durch die Möglichkeit eines Inflationsausgleichs nicht kompensiert.

Mengen- und Umsatzbezogene Verträge: § 130b Absatz 1a

KBV: Ein Schritt in die richtige Richtung. Die KBV fordert aber eine Muss-Regelung. Das schaffe mehr Verordnungssicherheit für Ärzte und reduziere das Risiko, dass Kassen Antrag auf Einzelregresse stellen, insbesondere bei Verordnung zugunsten von Subgruppen, für die kein Zusatznutzen anerkannt worden ist.

GKV: Mengenvereinbarungen seien bereits heute Bestandteil der 130b-Verträge. Ausgabenvolumen-bezogene Verträge lehnt die GKV ab. Das könnte den gültigen Erstattungsbetrag verschleiern, der damit seine Steuerungsfunktion für ärztliche Verordnungen verlieren würde.

vfa: Preis-Mengen-Vereinbarungen seien prinzipiell schon jetzt möglich. Die Klarstellung im Gesetz ändere nichts daran, dass der GKV-Spitzenverband getroffene Vereinbarungen bislang nicht durchsetzen könne, weil dem regionale Arzneimittelvereinbarungen entgegenstehen.

Vertraulichkeit der Erstattungsbeträge: § 130b Absatz 1b

KBV: Laut Gesetzesbegründung soll der Erstattungsbetrag auch Ärzten und Apothekern bekannt gemacht werden – praktikabel in der Arztsoftware. Das käme laut KBV einer öffentlichen Listung gleich, das Regelungsziel würde verfehlt. Vorschlag der KBV: Keine Mitteilung an Ärzte und Apotheker.

GKV: Kategorische Ablehnung. Die Funktionsfähigkeit zentraler Steuerungsinstrumente werde grundlegend eingeschränkt, wenn der Erstattungsbetrag nicht allen Akteuren zugänglich sei. Die GKV bezweifelt, dass Deutschland tatsächlich ein Referenzpreisland ist.

vfa: Der Referentenentwurf gebe die Zielsetzung des Pharmadialogs wieder, beinhalte jedoch keine konkrete Lösung. Konkret plädiert der vfa dafür, Rabatte direkt zwischen einzelnen Kassen und Herstellern ohne Einbeziehung der Apotheker ex post abzuwickeln.

Umsatzschwelle im ersten Jahr der Vermarktung: § 130b Absatz 3b

KBV: Eine Rückwirkung des Erstattungsbetrags im ersten Jahr bei Erreichen einer Umsatzschwelle ist laut KBV „geeignet, die Belastung der gesetzlichen Krankenkassen durch neue hochpreisige und umsatzstarke Arzneimittel zu begrenzen“.

GKV: „Der GKV-Spitzenverband befürwortet die Regelungsabsicht im Grundsatz, lehnt jedoch die beabsichtigte Umsetzung ab.“ Die Umsatzschwelle sei zu hoch. Für einzig zielführend wird generell eine Rückwirkung des Erstattungsbetrages ab Zeitpunkt der Markteinführung gehalten.

vfa: Es gibt aus Sicht des vfa keinen gesetzlichen Handlungsbedarf für eine Umsatzschwelle. Tatsächlich seien die Umsätze neu eingeführter Arzneimittel im ersten Jahr überwiegend gering. In den fünf Jahren seit Geltung des AMNOG habe es nur sehr wenige kostenrelevante Fälle gegeben.

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