Cannabis

Die Hälfte der Anträge geht durch

Die Verordnung von Cannabis als Medizin bleibt ein Aufregerthema. Tausende Anträge gehen ein.

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BERLIN. Patienten nehmen die neue Möglichkeit, Cannabisblüten vom Arzt verschrieben zu bekommen, offenbar zahlreich in Anspruch. Allein bei den AOKen und der TK sind seit Inkrafttreten einer entsprechenden Änderung des Betäubungsmittelgesetzes am 10. März mehr als 4000 Anträge zur Kostenübernahme eingegangen. Der Sachverständige Maximilian Plenert rechne mit rund 10.000 Anträgen seit März, berichtet der Deutsche Hanfverband.

Cannabis als Medizin sei quasi eine "off label" Verordnung, da es weder konkretisierte Indikationen noch eine regelgerechte Zulassung gebe, sagte dazu der Präsident der Deutschen Schmerzliga Professor Michael Überall. Der Arzt müsse schriftlich festhalten, dass zugelassene Standardtherapien nicht ausreichend wirksam seien und ein Wechsel auf Cannabisblüten indiziert sei, sagte Überall. Das müsse den Medizinischen Diensten reichen, um einer Kostenerstattung durch die Kassen zuzustimmen.Indiziert können Cannabisblüten bei einer schwerwiegenden Erkrankung und einer "nicht ganz entfernt liegenden Aussicht" auf Linderung schwerer Symptome.

Bei den AOKen liege die Genehmigungsquote derzeit bei 50 Prozent, sagte eine Sprecherin des AOK-Bundesverbandes am Donnerstag der "Ärzte Zeitung". Gründe für Ablehnungen könnten zum Beispiel unzureichende Dokumentationen durch die Ärzte sein. Auch vom Gesetzgeber verwendete unklare Begrifflichkeiten könnten dabei eine Rolle spielen.

Überall riet Ärzten, aus arzneimittelsicherheitsrechtlichen Überlegungen heraus, bei der Verordnung zunächst Mittel mit höherer Evidenz in Betracht zu ziehen. In Deutschland gebe es mit Sativex® derzeit nur ein solches Präparat. Auch Zubereitungen wie Dronabinol stünden zur Verfügung. Cannabisblüten in standardisierter Qualität sollten eher letzte Wahl sein.

Dass mit dem Gesetz erstmals ein Präparat ohne Nachweise der Sicherheit und Wirksamkeit verordnungsfähig geworden ist, ist ein Aufreger in der Ärzteschaft. Schließlich habe der Gesetzgeber damit akzeptiert, dass chronisch Kranke mit den in Deutschland zugelassenen und vom GBA als Regelleistung anerkannten Therapien nicht ausreichend behandelt werden könnten.

Scharfe Kritik wird auch an der Art der Begleitforschung geübt, mit der der Gesetzgeber die Evidenz nachholend aufbauen will. Tatsächlich sind Patienten, die Cannabisblüten als Medizin verordnet bekommen wollen, indirekt verpflichtet, an einer begleitenden Erhebung teilzunehmen. Wirklich beteiligt sind sie aber nicht. Der verordnende Arzt soll binnen zwölf Monaten nach Aufnahme der Therapie Daten anonymisiert dem Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) weiterleiten.

Die Verpflichtung zur Teilnahme an einer "pseudo-wissenschaftlichen" Forschung sei ethisch bedenklich, sagt Überall. Auf diese Weise lasse sich für den GBA keine Grundlage zur Bewertung dieser Therapie schaffen. Es werde lediglich "Datenmüll" produziert. (af)

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