Arzneimittel

Neue Datenquellen für eine bessere Nutzenbewertung?

Die digitale Auswertung großer Datenmengen bietet Potenzial, um den Nutzen neuer Arznei besser abschätzen zu können, so Experten bei einem Fachsymposium.

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Berlin. Auch sieben Jahre nach Inkrafttreten des AMNOG bleibt die Nutzenbewertung neuer Arzneimittel ein Diskussionsthema. Können Registerdaten und Big-Data-Analysen die Lücken füllen, die bei einer Bewertung rein auf Basis randomisierter Studien zwangsläufig bleiben?

Zulassungsstudien neuer Medikamente, beispielsweise in der Onkologie, liefern Daten zur Effektivität und Sicherheit. Die nachgelagerte Nutzenbewertung interessiert sich dagegen für die Frage, ob es gegenüber etablierten Vergleichstherapien einen Zusatznutzen gibt. Im deutschen HTA-Verfahren sehen sich IQWiG und GBA dabei sogenannte patientenrelevante Endpunkte an: das Gesamtüberleben, die Morbidität und die Lebensqualität.

Onkologie im Blick

Nicht immer freilich liefern die Zulassungsstudien genug Daten, um eine sinnvolle Nutzenbewertung zu ermöglichen. Besonders deutlich wird dies bei beschleunigt zugelassenen Medikamenten, wie das in der Onkologie immer häufiger vorkommt. "Diese Zulassungen erfolgen teilweise auf Basis einarmiger Studien", sagte Dr. Uwe Vosgerau vom GBA bei einem von Springer Medizin organisierten und von Pfizer und MSD unterstützten Fachsymposium in Berlin. In dieser Konstellation böten Register beispielsweise die Möglichkeit, historische Kontrollgruppen zu generieren.

Auch hinsichtlich langfristiger Nebenwirkungen könnten Register bei Nutzenbewertungen eine größere Rolle spielen", so Vosgerau, der insgesamt davon ausgeht, dass Erkenntnisse nach Zulassung für die HTA-Verfahren immer wichtiger werden, weil neue Medikamente immer schneller und – Stichwort Precision Medicine – auf Basis immer kleinerer Patientenpopulationen zugelassen werden. "Nutzenbewertungen sind deswegen immer auch als temporäre Bewertungen zu verstehen, die sich mit dem Stand der Erkenntnis weiterentwickeln", betonte Vosgerau.

Register in der derzeit üblichen Form sind aber nicht die einzige Datenquelle, die randomisierte Studien ergänzen könnten. PD Dr. Thomas Zander vom Centrum für Integrierte Onkologie am Universitätsklinikum Köln plädierte für umfangreiche Therapieoptimierungsstudien im Nachgang zu jeder onkologischen Neuzulassung unter Nutzung von Big Data-Technologien. Ziel müsse es unter anderem sein, unterschiedliche Patientengruppen zu analysieren und optimale Therapiesequenzen zu ermitteln.

Patienten mit im Boot

Zander schlug in Berlin einen erweiterten Zyklus für klinische Studien vor, bei dem einerseits Registerdaten aus der realen Versorgung systematisch und zeitnah in die Planung neuer randomisierter Studien einfließen, andererseits auf Basis von Big-Data-Analytik Studiendesigns virtuell durchgespielt werden, um die realen Studien so aussagekräftig wie möglich zu machen. Das funktioniere aber nur, wenn relevante Parameter unter Mithilfe des Patienten erfasst und möglichst automatisch in entsprechende Datenbanken übermittelt würden, so Zander.

Professor Christof von Kalle vom Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen der Universität Heidelberg sprach sich ebenfalls für derartige Strukturen aus. Er betonte, dass zu ihrer Verwirklichung neue digitale Datenkonzepte nötig seien, die die Patienten im Sinne eines patientenzentrierten Datenmanagements in den Mittelpunkt rückten. Auch der Deutsche Ethikrat diskutiert und empfiehlt in seinem am Donnerstag vorgelegten Big-Data-Gutachten solche patientenzentrierten Dateninfrastrukturen in der Medizin. (gvg)

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