Original und Nachahmer

Noch Aufklärungsarbeit für Biosimilars nötig?

Biosimilars sind inzwischen als gleichwertig zu den Originalen anerkannt, setzen sich aber regional sehr unterschiedlich durch.

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BERLIN. Ärzte dürfen darauf vertrauen, dass Biosimilars aufgrund des strengen Zulassungsprozesses gleichwertige Alternativen zu Originalen sind. Möglich geworden sei dies, so der Frankfurter Pharmazeut Professor Theo Dingermann bei einem von Mundipharma organisierten Symposion auf dem Deutschen Krebskongress in Berlin, weil sich heute auch hochkomplexe Proteine detailliert analysieren lassen.

Ferner hätten die Zulassungsbehörden, wie beispielsweise die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA, eine "neue Qualität von Souveränität" erreicht, etwa aufgrund eines sehr komplexen Wissens um die Tolerierbarkeit struktureller Variationen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Wirksamkeit und Verträglichkeit.

Anforderungen an die Zulassung von Biosimilars seien:

  • die größtmögliche Strukturübereinstimmung zum Original, wobei allerdings auch zu beachten ist, dass im Zeitablauf durch Veränderungen und Optimierung des Produktionsprozesses strukturelle Änderungen beim Original stattfinden, zum Teil mehr als 20;
  • detaillierte Kenntnis zum Wirkmechanismus und schließlich
  • die nachgewiesene Sicherheit und Wirksamkeit in der Indikation mit der höchsten Sensitivität, von der aus dann auf weitere Indikationen extrapoliert werden.

Nach diesen grundlegenden Prinzipien seien inzwischen 30 Biosimilar-Präparate in Europa zugelassen, und aktuell werden vor allem umsatzstarke Biologicals in der Krebs- und Rheumatherapie patentfrei. Es sei daher absehbar, dass starker Druck auf Ärzte ausgeübt werde, die Vorteile des Wettbewerbs in einem pharmazeutischen Hochpreissegment zu nutzen, so Dingermann.

Das Wissen über Biosimilars ist allerdings unter Ärzten erst in unterschiedlichem Ausmaß durchgedrungen. Dabei sind aktuelle Empfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft eindeutig: "Biosimilars sind bezüglich der therapeutischen Wirksamkeit, der Verträglichkeit und der Sicherheit in allen zugelassenen Indikationen dem jeweiligen Referenzarzneimittel gleichwertig und können wie dieses eingesetzt werden."

Dementsprechend empfiehlt die Kommission sowohl bei einer Erstverordnung als auch bei einer Folgeverordnung zur Fortsetzung der Therapie die jeweils wirtschaftliche Verordnungsalternative. Wobei natürlich letztlich die Belange des einzelnen Patienten entscheiden.

Mit einer besonders aktiven Strategie versucht die KV Westfalen-Lippe, den Wettbewerb mit Biosimilars zu nutzen. In den aktuellen Zielvereinbarungen sind Verordnungsquoten zwischen 10 und über 85 Prozent Biosimilars je nach Indikation und Wirkstoff vorgesehen. Ärzte erhalten über den möglichen Einsatz von Biosimilars gezielte Informationen, um Vertrauen zu schaffen. In einem arztindividuellen Reporting erhält der Arzt Informationen darüber, ob er die global angestrebten Quoten auch selbst erreicht.

Das System von Information und Anreizen ist in Westfalen wirksam: So stieg beispielsweise der Anteil der Biosimilar-Verordnungen bei Infliximab von 21 Prozent im zweiten Quartal 2015 auf 75 Prozent im dritten Quartal 2017. Andere KVen wie Hamburg und Sachsen liegen mit 27 und 22 Prozent noch weit zurück. (HL)

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