Arzneimittel-Atlas

Neuer Schub bei der Nutzenbewertung

Mehr Innovationen, aber auch immer mehr Zweitbewertungen halten den GBA auf Trab. Gerade Hausärzte müssen sich aber teils mit sehr differenzierten Bewertungen herumschlagen.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Mit 72 abgeschlossenen Nutzenbewertungsverfahren hat der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) einen neuen Rekord aufgestellt.

Mit 72 abgeschlossenen Nutzenbewertungsverfahren hat der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) einen neuen Rekord aufgestellt.

© lenetsnikolai / Fotolia

BERLIN. Mit 72 abgeschlossenen Nutzenbewertungsverfahren hat der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) einen neuen Rekord der seit 2011 praktizierten AMNOG-Verfahren aufgestellt. Das sind 20 Verfahren mehr als im Vorjahr. Dies zeigt eine Auswertung des Berliner IGES-Instituts, die jetzt im Rahmen des Arzneimittel-Atlas 2017 veröffentlicht wurde. Seit Dienstag steht diese Publikation auch in einer Online-Ausgabe mit teils erweiterten Tabellen zur Verfügung.

Die steigende Zahl der Verfahren ist weniger eine Folge der Zulassung neuer Wirkstoffe als vielmehr der wachsende Anteil der Zweitbewertungen. In 20 Verfahren wurde eine neue Bewertung eines Wirkstoffes notwendig, weil die Indikation erweitert worden war. In zwei Fällen beantragten Hersteller aufgrund neuer Erkenntnisse eine weitere Bewertung. In zehn Fällen hatte der Bundesausschuss aufgrund unsicherer Evidenz seinen Nutzenbewertungsbeschluss befristet – das Präparat läuft dann gegebenenfalls mit einem neuen Dossier ein zweites Mal die Bewertung.

Nach einem Ausreißer im Jahr 2015 hat sich die Zahl der Patientenpopulationen, nach denen der GBA den Zusatznutzen differenziert wieder normalisiert. Im Durchschnitt gab es je Wirkstoff 2,15 Subgruppen; 2015 waren es fast 2,8 gewesen.

Allerdings gibt es eine große Streubreite der Zahl der Patientenpopulationen, und zwar mit einer großen Relevanz für Hausärzte und für Internisten, insbesondere bei Gastroenterlogen. So wurden in den Nutzenbewertungen für die Wirkstoffkombination Ombitasvir/Paritaprevir/Ritonavir sowie für die Wirkstoffe Dasabuvir, Empagliflozin (in der erneuten Nutzenbewertung), Sofosbuvir und Simeprevir zwischen sieben und 15 verschiedene Patientengruppen gebildet, die in unterschiedlichem Ausmaß von den neuen Substanzen profitieren. Dieser hohe Differenzierungsgrad ist für verordnende Ärzte seit dem (nicht rechtskräftigen) Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg brisant, weil das Gericht bezweifelt, dass der Erstattungsbetrag als Mischpreis anzusehen ist, der in der gesamten Indikation wirtschaftlich ist.

Bei erneuter Nutzenbewertung nach einer befristeten ersten Entscheidung kommt der GBA durchaus zu einer Korrektur. Hierzu haben die Autoren des Arzneimittel-Atlas 15 Neubewertungen aus 2016 betrachtet.

Hier erfolgten Korrekturen:
  • In vier Verfahren (Afatinib, Fingolimod, Eribulin, Belatacept) wurde der Zusatznutzen der im Erstverfahren am besten bewerteten Subgruppe höher eingestuft.
  • In sieben Verfahren (Vemurafenib, Lomitapid, Crizotinib, Sitagliptin, Vismodegib, Idelalisib, Ataluren) blieb der Bundesausschuss bei seiner ursprünglichen Bewertung.
  • In vier Verfahren (Saxagliptin, Saxagliptin Metformin, Sitagliptin/Metformin, Regorafenib) stufte der Bundesausschuss den Zusatznutzen bei der best bewerteten Subgruppe im Initialverfahren niedriger ein.

Unterschiede der Bewertungen zwischen Initial- und Zweitverfahren beruhen in der Regel auf der Berücksichtigung zusätzlicher Evidenz, die aus späteren Datenschnitten der klinischen Studien resultiert. Dies gelte insbesondere für die Onkologie, da zu späteren Zeitpunkten vermehrt Daten zum Gesamtüberleben ausgewertet werden können. Teilweise ergibt sich zusätzliche Evidenz aber auch aus zusätzlichen Studien.

Der Ausgabenanstieg für Arzneimittel hat sich laut Atlas auf 4,1 Prozent abgeschwächt. Vor diesem Hintergrund forderte Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes forschender Pharmaunternehmen (vfa), dazu auf, das "Jonglieren mit Horrorszenarien" zu beenden.

Arzneimittel-Atlas 2017

» Der Atlas analysiert die Ausgabenentwicklung für Arzneien hinsichtlich Verbrauch, Struktur und Innovation.

» Ein Sonderkapitel ist den neuen Hepatitis C-Präparaten gewidmet.

» Erweitert wurde die Online- Ausgabe um Zusatzinformationen in Tabellen und Grafiken.

Mehr Statistiken finden Sie unter: www.arzneimittel-atlas.de

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