Aktionsplan

Kampf den seltenen Erkrankungen

Zwei Ministerium gehen die seltenen Erkrankungen an - mit einem gemeinsamen Aktionsplan. Ärzte spielen dabei eine zentrale Rolle.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Eine Patientin mit Williams-Beuren-Syndrom, einer seltenen Krankheit, die kaum zu behandeln ist.

Eine Patientin mit Williams-Beuren-Syndrom, einer seltenen Krankheit, die kaum zu behandeln ist.

© Achse e.V. / Verena Müller / dpa

BERLIN. Zentren und Netzwerke sollen die Versorgung von Menschen mit seltenen Erkrankungen verbessern. Die pharmazeutischen Unternehmen sollen in den nächsten sechs Jahren 200 zusätzliche Therapien zur Behandlung dieser Erkrankungen entwickeln.

Das sind Kernpunkte des "Nationalen Aktionsplans für Menschen mit Seltenen Erkrankungen", den das Bundeskabinett am Mittwoch angenommen hat. Deutschland setzt mit dem Plan eine Empfehlung der Europäischen Union aus dem Jahr 2009 um.

Niedergelassene Ärzte sind an prominenter Stelle in den Plan einbezogen. Mit der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) baut der Gemeinsame Bundesausschuss derzeit die Strukturen auf, innerhalb derer Menschen mit seltenen Erkrankungen von Spezialisten interdisziplinär und sektorenübergreifend behandelt werden sollen.

A, B oder C: Drei Typen von Zentren für die Versorgung

Diese Strukturen, an denen sich Schwerpunkt- und Gemeinschaftspraxen, Medizinische Versorgungszentren und Fachabteilungen von Krankenhäusern beteiligen können, sollen künftig als Typ-C -Zentren die konkrete ambulante Versorgung der Patienten leisten.

Typ-B -Zentren sollen darüber hinaus auch eine stationäre Versorgung der betroffenen Patienten sicherstellen. Die A-Zentren sollen sich um unklare Diagnosen kümmern, Grundlagen- und klinische Forschung betreiben, Register und Biobanken anlegen sowie Ärzte ausbilden.

"Ärzte bekommen auf diese Weise Informationen, die sie im Moment nicht haben", sagte Christoph Nachtigäller, Vorsitzender der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE).

Das könne die heute oft noch Jahre dauernden Phasen bis zu einer gesicherten Diagnose abkürzen helfen, sagte Nachtigäller. Dazu beitragen soll ein Informationsportal im Internet, in dem die Informationen zu allen rund 8000 seltenen Erkrankungen zusammengeführt werden sollen.

Diagnose soll künftig schneller erfolgen

Ärzte, die an der Versorgung von Patienten teilnehmen wollen, werden einen Akkreditierungsprozess durchlaufen müssen und bereit sein, Dokumentationspflichten zu übernehmen, kündigte Nachtigäller an.

Der Aktionsplan umfasst 52 Einzelpositionen, die in den kommenden drei Jahren umgesetzt werden sollen. Weit oben auf der Agenda steht eine Studie, die die Versorgung mit Orphan Drugs und deren Finanzierung unter die Lupe nehmen soll.

Gleichzeitig soll ein Gutachten klären, inwieweit aus den Routinedaten der Krankenkassen Erkenntnisse über den Off-Label-Use von Medikamenten gewonnen werden können. Welche Rolle der Off-Label-Use für die Behandlung seltener Krankheiten spielt, soll ebenfalls wissenschaftlich geklärt werden.

Die Pharmaindustrie sehe sich in der Pflicht, den Plan mit Leben zu erfüllen, sagte Hanning Fahrenkamp, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI).

Es sei aber wichtig, die durch die EU-Orphan-Drug-Verordnung garantierte Unterstützung der Unternehmen bei der Arzneimittelentwicklung und -zulassung im Hinblick auf die spätere Erstattung nicht zu konterkarieren, sagte Fahrenkamp.

"Die Erfindung geeigneter Medikamente gelingt nur da, wo genug über die Krankheitsvorgänge auf molekularer Ebene bekannt ist", begrüßte Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes forschender Pharma-Unternehmen (vfa), die geplante Förderung der Grundlagenforschung. Mehr als 70 krankheitsverursachende Gene gelten als identifiziert.

80 neue Orphan Drugs in 13 Jahren

Seit dem Jahr 2000 habe die pharmazeutische Industrie mehr als 80 Orphan Drugs auf den Markt gebracht. Rund 1000 Projekten in der Entwicklung habe die Europäische Arzneimittelagentur den Status Orphan Drug bereits zuerkannt, hieß in einer Pressemeldung von BPI und vfa.

Schätzungen zufolge leben in Deutschland etwa vier Millionen Menschen, die an einer seltenen Erkrankung leiden, in Europa etwa 30 Millionen.

Für einige Medikamente gibt es europaweit nur wenige Hundert Patienten. Als selten gilt eine Krankheit, wenn sie bei nicht mehr als fünf von 10.000 Menschen festgestellt wird. Bekannte Beispiele sind die Tuberkulose und die Mukoviszidose.

Die Finanzierung des Nationalen Aktionsplans ist noch nicht abschließend gesichert. 27 Millionen Euro an Projektfördermitteln stellt das Forschungsministerium bis 2018 bereit. Das Gesundheitsministerium wird den Aufwand für eine Geschäftsstelle übernehmen und sich mit fünf Millionen Euro an der Erforschung seltener Krankheiten beteiligen.

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