ASV

Auch motivierte Ärzte sind ernüchtert

Eigentlich soll die ambulante spezialfachärztliche Versorgung die Zusammenarbeit zwischen Praxen und Kliniken verbessern. Allerdings werden in den Ländern teilweise offenbar Hürden aufgebaut, die Ärzte zur Verzweiflung treiben.

Christiane BadenbergVon Christiane Badenberg Veröffentlicht:

MAINZ. Zukunftsmodell oder Rohrkrepierer - was ist die ASV? In ihrer jetzigen Form auf jeden Fall kein Zukunftsmodell. So viel lässt sich nach dem Besuch der Veranstaltung "Die Ambulante Spezialfachärztliche Versorgung - Chancen und Herausfordderungen bei der Umsetzung" am vergangenen Mittwoch in Mainz sagen.

Zwar mühte sich Dr. Regina Klakow-Franck, unparteiisches Mitglied im Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA), mehr als redlich, den Kritikern der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung den Wind aus den Segeln zu nehmen und auf die Vorteile des neu geschaffenen Sektors hinzuweisen, aber die Berichte aus der Praxis waren eher ernüchternd.

Von dem, was sich der Gesetzgeber und der GBA versprochen haben - die Zusammenarbeit zwischen den Sektoren zu verbessern - ist an der Basis vor allem Frust übrig geblieben.

Fürchterlicher Aufwand

So berichtete der Geschäftsführer des Westpfalzklinikums in Kaiserslautern, Peter Förster, dass es im vergangenen August eine Kick off-Veranstaltung zur ASV in seinem Haus gegeben habe.

In zwei Wochen haben wir den Antrag fertig, seien einige Mitarbeiter überzeugt gewesen. "Fakt ist: der Antrag ist bis heute nicht gestellt", so Förster. Mit der Antragstellung sei ein fürchterlicher Aufwand verbunden.

Beim zuständigen erweiterten Landesausschuss sei bisher keine einzige Anzeige für eine Teilnahme an der ASV eingegangen. Eigentlich unterstütze er die angestrebte engere Kooperation von Vertrags- und Klinikärzten in diesem neu geschaffenen Sektor, aber niedergelassene Ärzte würden ihn immer wieder fragen: "Was habe ich eigentlich davon?" Sie sähen die Vorteile im Vergleich zur Regelversorgung nicht.

Komplizierte Bereinigung

Über den bürokratischen Aufwand in manchen Bundesländern zeigte sich auch Klakow-Franck verärgert. Dass es bei den erweiterten Landesausschüssen nur eine Anzeigepflicht für die ASV gebe, sollte die Teilnahme eigentlich erleichtern, sagte sie.

Stattdessen forderten einige Ausschüsse extreme Detailregelungen. Sie habe schon Teamleiter getroffen, die 500 Seiten umfassende Aktenordner mit genauesten Aufstellungen über die Arbeit im Team bei sich gehabt hätten. Mit einem abschreckenden Beispiel wartete auch der Koblenzer Onkologe Dr. Jochen Heymanns auf.

Wer in Rheinland-Pfalz beim erweiterten Landesausschuss anzeigt, dass er an der ASV teilnehmen will, müsse einen 35-seitigen Antrag plus vier insgesamt 42 Seiten umfassende Anlagen ausfüllen. In Schleswig-Holstein reiche für alles zusammen 32 Seiten aus, berichtete er auf der Veranstaltung des Fördervereins für ärztliche Fortbildung und des gesundheitspolitischen Arbeitskreises Mitte.

Das die Stimmung in Rheinland-Pfalz die ASV nicht gerade beflügelt, berichtete auch Stefan Groh von der Techniker Krankenkasse. Der Leiter des regionalen Vertragswesens der TK sitzt für die Kassen im erweiterten Landesausschuss.

"Ich habe die Frontenbildung zwischen KV und Krankenhausgesellschaft von Anfang an mitbekommen", sagte Groh. Beide fürchteten, mit dem neuen Sektor Einfluss zu verlieren.

Seine Kasse sieht die ASV trotzdem als Zukunftsmodell. "Es ist ein Schritt zur Aufhebung der Sektorengrenzen", so Groh. Zudem halte hochspezialisiertes Know-how Einzug in die ambulante Versorgung. Allerdings wollen die Kassen eine Mengenausweitung auf jeden Fall vermeiden.

Dass Leistungen, die innerhalb der ASV erbracht werden, extrabudgetär vergütet werden und es hier keine Mengenbegrenzungen wie in der Regelversorgung gibt, zählt für Ärzte allerdings eher zu den positiven Aspekten.

Viele Knackpunkte bei der Umsetzung der ASV sieht auch der fachärztliche Internist und Gastroenterologe Dr. Wolfgang Tacke. Die angestrebte engere Verzahnung der Sektoren könne durch die Kliniken unterlaufen werden, in dem diese Ärzte aus ihren Medizinischen Versorgungszentren für die ASV-Teams rekrutierten, befürchtet Tacke, der auch Mitglied der Vertreterversammlung der KV Hessen ist.

Auch sei die Bereinigung der Vergütung im KV-Bereich extrem kompliziert. Zudem sei in Hessen keine einzige Anzeige auf Teilnahme an der ASV mehr eingegangen, seitdem laut darüber nachgedacht werde, die Versorgung nach Paragraf 116 b alt eventuell weiter fortzuführen. "Da muss ich mich fragen, was der Gesetzgeber überhaupt will", so Tacke.

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