Krankenhausreform

"Wir haben den großen Wurf nicht geschafft"

Eine große Klinikreform sollte auf den Weg gebracht werden. Aber die auseinander­driftenden Interessen von Bund und Ländern haben nur vorsichtig Veränderungen angestoßen. Das räumt auch CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn ein.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
6000 neue Stellen für Pflegekräfte sieht das Eckpunktepapier der Bund-Länderkommission zur Klinikreform unter anderem vor.

6000 neue Stellen für Pflegekräfte sieht das Eckpunktepapier der Bund-Länderkommission zur Klinikreform unter anderem vor.

© Kzenon / Fotolia.com

NEUSS. Die von der Bund-Länder-Arbeitsgruppe auf den Weg gebrachten Eckpunkte für eine Klinikreform sind auch nach Einschätzung von Beteiligten zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber mehr nicht.

"Wir haben den großen Wurf nicht geschafft", räumte der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Jens Spahn auf dem Forum 2014 der Krankenhausgesellschaft NRW (KGNW) in Neuss ein.

Ein großes Manko sieht Spahn beim Thema Investitionsfinanzierung. Da hätte er sich mehr gewünscht als das Festschreiben des Investitionsniveaus auf dem aktuellen Stand. "Offensichtlich ist die Zeit dafür noch nicht reif", sagte er.

Notwendig sei eine wirkliche Strukturreform. "Im Moment gehen wir von der Auffassung aus, dass die vielen kleinen Schräubchen etwas ändern. Da bin ich mir aber nicht so sicher."

Wie das Ergebnis einer solchen Strukturreform aussehen müsste, ist für Spahn klar: "Weniger Operationen, weniger Krankenhäuser, mehr Qualität."

Stärkerer Fokus auf Qualität

Mit dem Eckpunktepapier würden immerhin an vielen Stellen strukturelle Veränderungen angestoßen und nicht nur mehr Geld ins System gegeben, lobte er. Positiv sei der stärkere Fokus auf die Qualität.

Allerdings sieht der CDU-Politiker auch hier noch Nachholbedarf, insbesondere beim Thema Indikationsstellung. Es könne nicht sein, dass es innerhalb eines Bundeslandes wie Nordrhein-Westfalen bei der Operationshäufigkeit so große Unterschiede gibt.

"Wir müssen über die Indikationsthematik ohne Schaum vor dem Mund mit der Ärzteschaft diskutieren", forderte er. Die Ärzte wehrten sich gegen Unterstellungen, dass ihr Verhalten durch finanzielle Anreize beeinflusst werde, sagte der Präsident der Ärztekammer Nordrhein Rudolf Henke.

Allerdings werde der Konflikt zwischen den ärztlichen Überzeugungen und ökonomischem Druck immer stärker. "Wir haben als Ärzte das Gefühl, dass wir mit dem Rücken zur Wand stehen."

Die Ärzteschaft hätte in die Beratungen der Bund-Länder-AG eingebunden werden sollen, findet Henke. Sie hätte praktische Erfahrungen aus der Versorgungsrealität beisteuern können.

"Ich hoffe, dass wir die zentralen Probleme im weiteren öffentlichen Verfahren und im parlamentarischen Beratungsprozess platzieren können."

Auch die Pflegeberufe wünschen sich eine stärkere Beteiligung, sagte der Präsident des Deutschen Pflegerates Andreas Westerfellhaus. "Ich kann mir Qualitäts-Entwicklungen ohne diejenigen, die die Leistungen erbringen, nicht vorstellen."

Westerfellhaus forderte, dass der Deutsche Pflegerat jetzt zumindest an der Kommission beteiligt wird, die den konkreten Pflegebedarf im Krankenhaus ermitteln soll.

"Situation der Pflege ist katastrophal"

"Grundsätzlich ist die Situation der Pflege im Krankenhausbereich katastrophal", stellte NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) - Mitglied der Bund-Länder-Kommission - klar.

Die Eckpunkte sind auch in ihren Augen an vielen Stellen nur ein Anfang. "Gedanklich muss man sich schon auf die nächste Reform einstellen, denn diese wird die Probleme, die mit dem demografischen Wandel verbunden sind, nicht lösen."

Die KGNW biete den Mitgliedern der Bund-Länder-Kommission in den kommenden Wochen den kritischen Dialog an, sagte ihr Präsident Jochen Brink. Dabei werde man "die sich abzeichnende unkontrollierte Übersteuerung des Vergütungssystems" im Auge behalten.

Die Kliniken stellen sich gern jeder Debatte über Qualität, sagte Brink. Die vorgesehenen Qualitätsabschläge würden allerdings nichts zur Qualitätsverbesserung beitragen.

"Es werden erfolgsabhängige Elemente in die medizinische Leistungsvergütung eingeführt, die die Patientenselektion fördern und mit einem Kapazitätsabbau mit Abteilungs- und Krankenhausschließungen verbunden sein werden."

Matthias Mohrmann, Vorstand der AOK Rheinland/Hamburg, forderte dazu auf, sich nicht ausschließlich auf die Ergebnisqualität zu konzentrieren. "Wir brauchen schnell konkrete Vorgaben zur Strukturqualität", sagte er.

Die Krankenhausreform müsse auf jeden Fall zu einer stärkeren Spezialisierung und einer Zentrenbildung führen. "Hochkomplexe Leistungen gehören nicht an jedes Krankenhaus der Grundversorgung." Als Beispiele nannte Mohrmann die Onkologie und die Wirbelsäulenchirurgie.

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