Landarztquote

Niedersachsens Regierung ringt um ihren Kurs

Gangbarer Weg oder bloße Symptombekämpfung? Die rot-schwarze Landesregierung ist uneins über die Landarztquote. Jetzt fordert der Marburger Bund, den Ärztemangel an der Wurzel zu bekämpfen.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Landarzt gesucht: Plakat in der 2500-Seelen-Gemeinde Resse in Niedersachsen.

Landarzt gesucht: Plakat in der 2500-Seelen-Gemeinde Resse in Niedersachsen.

© picture alliance/dpa

HANNOVER. Mehr Medizinstudienplätze statt Landarztquote. Das fordert der Vorsitzende des Marburger Bundes Niedersachsen, Hans Martin Wollenberg, in einem offenen Brief an Niedersachsens Gesundheitsministerin Carola Reimann (SPD) und den Wissenschaftsminister des Landes, Björn Thümler (CDU) und an die beiden Fraktionen der Regierungs-Koalition. Damit äußert sich der MB-Chef zu einem Streit innerhalb der rot-schwarzen Regierung Niedersachsens.

"Wir fordern Sie auf, darauf hinzuwirken, dass in Niedersachsen keine kurzsichtige Landarztquote eingeführt wird, sondern wirksame Strategien zur Sicherung der medizinischen Versorgung entwickelt werden", schreibt Wollenberg.

Ran an die tatsächlichen Ursachen!

Eine Landarztquote greife zu kurz. Sie werde weder kurzfristig, noch frühestens in zehn Jahren Abhilfe schaffen, wenn die ersten dann approbierten jungen Ärzte voll im Berufsleben angekommen sind, schreibt Wollenberg. Ein Studienanfänger könne nicht einschätzen, in welcher Fachrichtung und in welcher Region er zehn Jahre später seinen Arztberuf ausüben möchte. "Eine Lösung des Ärztemangels – nicht nur auf dem Land – wird es nur geben, wenn schnellstmöglich die Ursachen behoben werden", so Wollenberg.

So fordert der MB-Vorsitzende mehr Medizin-Studienplätze: "Wir erwarten von der Landesregierung, dass sie in ausreichender Zahl Studienplätze finanziert, anstatt die vorhandenen durch eine Landarztquote zu kontingentieren", hieß es. Außerdem müssten die Arbeitsbedingungen auf dem Land für Ärzte verbessert werden. Eine Landarztquote würde zudem den Mangel in allen anderen medizinischen Fachrichtungen nur noch weiter verschärfen.

Mit seinem Brief kommentiert Wollenberg einen Dissens innerhalb der großen Koalition Niedersachsens. In ihrem Koalitionsvertrag haben die beiden Parteien vereinbart, die ärztliche Versorgung auf dem Land auszubauen. Aber wie?

Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Gesundheitsministerin Reimann haben sich für die Quote ausgesprochen, Thümler dagegen. "Der Zeitpunkt, an dem sich die Studierenden festlegen sollen, ist zu früh", heißt es von Seiten des gesundheitspolitischen Sprechers der CDU-Landtagsfraktion, Volker Meyer. "Selbst bei sofortiger Einführung würde die Quote erst ab 2030 wirken, weil die Arztausbildung mindestens elf Jahre dauert." Außerdem könne eine Vorabvergabe von Studienplätzen über eine Landarztquote zu einer Negativauslese und damit zu einem Arzt "zweiter Klasse" führen. Wer die regulären Zulassungsvoraussetzungen erfülle, müsse sich schließlich nicht vorab als Landarzt verpflichten.

Stattdessen fordert die Fraktion den Zuschlag für Landärzte. Er solle eine garantierte Laufzeit von zehn Jahren haben und für Gebiete gelten, in denen der Versorgungsgrad 90 Prozent bei Hausärzten und 75 Prozent bei Fachärzten unterschreitet, hieß es. "Mit einem Zuschlag von 50 Prozent auf die Vergütung könnte die ärztliche Selbstverwaltung einen finanziellen Anreiz für junge Ärztinnen und Ärzte schaffen, sich in ländlichen Gebieten niederzulassen".

Andere Länder haben in Sachen Landarztquote bereits Fakten geschaffen oder planen eine entsprechende Regelung. Nordrhein-Westfalen will ab Wintersemester 2019 168 Medizin-Studienplätze pro Studienjahr an Landarzt-Willige vergeben. Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt prüfen dieses Instrument. Bayern sammelt bereits Erfahrungen mit der "Landarztquote light".

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