Terminvergabe

Der TSVG-Zweifel wächst

Verbessert das geplante Terminservice- und Versorgungsgesetz das, was der Name verspricht? Die Zweifel, ob der Regelungsansatz geeignet ist, reicht bis in die Regierungsparteien.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Wenn es in der Praxis brummt: Hilft da ein zentrales Verteilungsinstrument wie die Terminservicestelle?

Wenn es in der Praxis brummt: Hilft da ein zentrales Verteilungsinstrument wie die Terminservicestelle?

© dpa

DORTMUND. Der Entwurf zum Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) von CDU-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat auch unter den Gesundheitspolitikern der Union nicht nur Freunde. Kritik kommt etwa vom gesundheitspolitischen Sprecher der CDU im nordrhein-westfälischen Landtag, Peter Preuss. "Ich frage mich seit einigen Tagen, was der tiefere Sinn des Gesetzes sein kann", sagte er beim Gesundheitspolitischen Sommergespräch des Bundesverbands Managed Care Nordrhein-Westfalen in Dortmund.

Preuß kann den Sinn der geplanten Anhebung der Mindestpraxiszeiten für niedergelassene Ärzte von 20 Stunden auf 25 Stunden nicht nachvollziehen. "Solche Vorgaben sind ein Eingriff in die Freiberuflichkeit", monierte er.

Susanne Schneider, gesundheitspolitische Sprecherin der FDP im Düsseldorfer Landtag, kann seine Bedenken gut nachvollziehen. "Ich habe Probleme, wenn zu stark in die Abläufe des freien Berufs eingegriffen wird", sagte sie. Die Terminservicestellen sind Schneider ohnehin ein Dorn im Auge. "Sie kosten sehr viel Geld und sind hochbürokratisch."

Transparenz über Terminvergabe?

Mehrdad Mostofizadeh, der im Landtag für die NRW-Grünen spricht, sieht das TSVG als Rumdoktern an Symptomen. "Die Terminvergabestellen werden nicht zur Verbesserung der Situation führen", sagte er. Dass dies eigentlich nötig wäre, steht für ihn außer Frage. Der Grund: "Es gibt substanzielle Unterschiede zwischen PKV- und GKV-Versicherten." Helfen könnte seiner Meinung nach eine bessere Transparenz über die freien Termine bei niedergelassenen Ärzten.

Mostofizadehs Kollege bei der SPD, Josef Neumann, zeigte sich skeptisch gegenüber zentralen Lösungen. In den unterschiedlichen Regionen des Landes gebe es mit Blick auf die Termine bei niedergelassenen Ärzten einen jeweils unterschiedlichen Handlungsbedarf. Dem müsse Rechnung getragen werden. "Deshalb ist es wichtig, die kommunalen Strukturen einzubinden", sagte Neumann.

Dirk Ruiss, Leiter der NRW-Vertretung des Ersatzkassenverbands vdek, begrüßte die Zielrichtung des TSVG. Der Ansatz, die Termin- und Wartezeitensituation zu verbessern, sei richtig. Wichtig sei aber, dass die Ärzte nur bei tatsächlichem Mehraufwand eine zusätzliche Vergütung erhalten, betonte Ruiss. Seiner Einschätzung nach könnte die von den Ersatzkassen unterstützte Förderung der Ärztenetze dazu beitragen, die Situation zu entspannen.

Alle Anstrengungen änderten aber nichts an der ungleichen Verteilung der Ärzte auf dem Land und in der Stadt. "Die KVen müssen gezwungen werden, verstärkt Arztsitze in Städten aufzukaufen und in unterversorgte Regionen zu legen." Für Ruiss ist klar, dass die Versorgung nicht allein in der Hand der niedergelassenen Ärzte liegen dürfe. "Es ist mehr Steuerung nötig."

Das sah Thomas Müller, Vorstand der KV Westfalen-Lippe, erwartungsgemäß anders. "Die KVen können einen wichtigen Beitrag zur Steuerung der Versorgung leisten", sagte er. Das sei allerdings mit einem hohen Koordinierungsaufwand und mit Kosten verbunden.

"KV wird zur Kontrollbehörde"

Müller warnte davor, dass der geplante Ausbau der Terminservicesstellen zu einem massiven Eingriff in die Freiberuflichkeit der Ärzte führen wird. Kommt es zur Umsetzung, wird dies Einfluss auf die Rolle der KVen haben, fürchtet er. "Die KV wird zur Kontrollbehörde, die Ärzte werden das nicht gut finden."

Die KVen müssten prüfen, ob die Ärzte tatsächlich 25 Stunden Sprechzeit anbieten. "Ich setze ein Fragezeichen dahinter, ob es die Rolle einer KV ist, die Mitglieder zu drangsalieren und zu überwachen", sagte Müller. "Ich weiß nicht, ob die Politik das so gewollt hat". Das Gesetz soll voraussichtlich im Sommer 2019 in Kraft treten.

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