HINTERGRUND

Ärzte aus dem Ausland - ein Mittel gegen Ärztemangel?

Angela MisslbeckVon Angela Misslbeck Veröffentlicht:

"Rein quantitativ bringt das Programm keine wirkliche Entlastung." Dr. Udo Wolter Kammerpräsident Brandenburg

Das Brandenburger Gesundheitsministerium hat - bundesweit erstmalig - ein Projekt gestartet, das Ärzte aus dem Ausland für die Berufsausübung in Deutschland fit machen sollen. Die Qualifizierungsmaßnahme ist als Baustein zur Eindämmung des wachsenden Ärztemangels gedacht.

"Wir können und dürfen angesichts des steigenden Fachkräftebedarfs nicht auf gut ausgebildete Einwanderer verzichten", sagte Gesundheitsministerin Dagmar Ziegler anlässlich des Projektstarts Anfang März. Das bislang einmalige Modellprojekt solle einen Beitrag zur Sicherung der ärztlichen Versorgung im Land leisten, so Ziegler weiter.

Das märkische Gesundheitsministerium hat das Qualifizierungsprojekt gemeinsam mit der Otto Benecke Stiftung entwickelt. Es soll Einwanderer, die aus ihrem Herkunftsland schon ärztliche Berufserfahrung mitbringen, bei der Vorbereitung auf die für die Berufsanerkennung notwendige Gleichwertigkeits-Prüfung unterstützen und in märkische Kliniken und Arztpraxen vermitteln helfen.

Derzeit werden 20 Kollegen geschult

Im ersten Durchgang werden 20 Ärzte geschult, die meist als jüdische Immigranten oder Spätaussiedler aus Russland und der Ukraine nach Brandenburg eingewandert sind. Die Qualifizierung dauert insgesamt zehn Monate. Zunächst absolvieren die eingewanderten Ärzte Sprachunterricht, bei dem vor allem medizinische Fachsprachkenntnisse vermittelt werden. Dabei erhalten sie auch eine Einführung in das deutsche Gesundheitswesen und das Sozialversicherungssystem. Bei einem viermonatigen Praktikum in einem Brandenburger Krankenhaus sollen sie unter anderem lernen Arztberichte zu schreiben.

Danach folgt die inhaltliche Prüfungsvorbereitung durch Fachärzte in den Fächern Allgemeinmedizin, Innere Medizin, Chirurgie, Pathologie, Labormedizin, Pharmakologie, Radiologie, Pädiatrie und Notfallmedizin. In das Projekt fließen nach Angaben des märkischen Gesundheitsministeriums 150 000 Euro aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) und aus Landesmitteln. Eine wissenschaftliche Evaluation ist vorgesehen.

KV hofft, dass die Ärzte sich im Land niederlassen

Ob das Qualifizierungsprojekt seinen Zweck erfüllt und tatsächlich hilft, Ärzte für Brandenburg zu gewinnen, bleibt abzuwarten. Die Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg (KVBB) hält die Maßnahme für einen möglichen Ansatz unter mehreren. "Wir sind in einer Situation, wo wir alle Möglichkeiten nutzen müssen", sagte KVBB-Sprecher Ralf Herre der "Ärzte Zeitung".

Auch die Landesärztekammer äußerte sich grundsätzlich positiv zu dem neuen Projekt. Sie geht davon aus, dass es Ärzten aus dem Ausland den Einstieg erleichtern kann. Zugewanderte Ärzte hätten das Sprachproblem zu meistern und müssten die Gegebenheiten des deutschen Gesundheitswesens kennenlernen. Dies führe teilweise zu erheblichen Startschwierigkeiten in den deutschen Kliniken oder sogar dazu, dass immigrierte Ärzte sich den Berufsbeginn hier nicht zutrauen, so die märkische Kammer. "Die Landesärztekammer Brandenburg befürwortet alle Maßnahmen, die zu einem erfolgreichen Start dieser Kollegen in das Berufsleben beitragen. Auch das von der Otto Benecke Stiftung durchgeführte Qualifizierungsprojekt wird von uns begrüßt", so Kammerpräsident Dr. Udo Wolter zur "Ärzte Zeitung".

Er bezweifelt allerdings, dass die Maßnahme zu einer spürbaren Entlastung in Sachen Ärztemangel führen wird. "Der Ärztemangel in Brandenburg hat ein solches Ausmaß erreicht, dass ein solches Programm schon rein quantitativ keine wirkliche Entlastung bringen kann", so Wolter. Er weist darauf hin, dass vor allem im niedergelassenen Hausarztbereich Lücken bestehen. "Bis allerdings die Kursteilnehmer so weit qualifiziert sind, dass eine Niederlassung als Hausarzt in Frage kommt, vergehen Jahre" so Wolter weiter.

Die KVBB äußerte zudem Zweifel, ob die geschulten Ärzte dann auch wirklich in Brandenburg bleiben würden. "Die Erfahrung zeigt, dass viele weiter Richtung Westen wandern", so KVBB-Sprecher Herre. Sowohl Kammer als auch KV zeigen sich überzeugt, dass das Problem des Ärztemangels letztlich nur gelöst werden kann, wenn Honorierung und Rahmenbedingungen für den Arztberuf wieder attraktiver werden. "Es müssen effektive Anreize geschaffen werden für eine Tätigkeit in unterversorgten Gebieten", so Kammerpräsident Wolter. Explizit fordert die Kammer bessere Arbeitsbedingungen unter anderem durch Bürokratieabbau und eine Bezahlung, die der Verantwortung der Ärzte entspricht.

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