Wo ein Hausarztmodell hält, was es verspricht

AOK-Versicherte fühlen sich beim hausärztlichen Modellprojekt in Südbaden besser betreut als eine Kontrollgruppe in der Regelversorgung. Das hat eine Versichertenbefragung von Prognos im Auftrag der AOK Baden-Württemberg ergeben.

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Von Florian Staeck

Befragt wurden dazu etwa 2000 der 10 000 AOK-Versicherten, die am Hausärztlichen Qualitäts- und Kooperationsmodell Südbaden (HQM Südbaden) teilnehmen. Zur Zeit 107 Hausärzte in der Region Freiburg, Breisgau und Lörrach machen bei diesem Modellprojekt nach Paragraf 63 SGB V mit. Als Kontrollgruppe wurde in der Region eine Gruppe von etwa 3000 AOK-Versicherten befragt, die in der Regelversorgung betreut werden. Das Durchschnittsalter in beiden Gruppen betrug 58 Jahre.

Auf einer Skala von 1 (Stimme voll und ganz zu) bis 5 (Stimme gar nicht zu) äußerten die Patienten im Modellprojekt in höherem Maße, sie hätten "volles Vertrauen in den Hausarzt" (1,46) als in der Regelversorgung (1,63). Ebenfalls besser waren die Bewertungen im Modellprojekt bei der Frage, ob der Hausarzt "gründlich untersucht". Hier ergaben sich "Noten" von 1,68 im Modell und 1,9 in der Regelversorgung.

Individueller Vorsorgeplan gehört zum Zusatzangebot

Für Dr. Harro Böckmann, Hausarzt in Bad Krozingen und Geschäftsführer der Managementgesellschaft QP Qualitätspraxen GmbH, ist das Ergebnis kein Zufall. "Patienten haben eine vermehrte Ansprache, sie fühlen sich besser begleitet", sagte er der "Ärzte Zeitung".

"Wir arbeiten im Modellprojekt mit besonders engagierten Ärzten." Dr. Christopher Hermann Vize-Vorstand AOK Baden-Württemberg

Den Teilnehmern im Modellprojekt -  sie müssen keine Praxisgebühr zahlen - werde zudem auch ein größeres Paket von Präventionsleistungen angeboten. So erhalten die Patienten nach der Eingangsuntersuchung etwa einen individuellen Vorsorgeplan, der über die Jahre fortgeschrieben wird. Böckmann betont allerdings, dass es "eine bessere Behandlung im medizinischen Sinn im Modellprojekt im Vergleich zur Regelversorgung nicht gibt".

Wahrscheinlich aber ist, dass die Bindung der Patienten im Modellprojekt an ihre Hausärzte häufig enger ist als in der Regelversorgung. Gefragt nach den Gründen für die Teilnahme, nennen die Patienten im Modellprojekt an erster Stelle mit 75 Prozent den finanziellen Vorteil (Verzicht auf die Praxisgebühr) als Motiv. Doch fast der gleiche Anteil (71 Prozent) gibt als weiteren Grund für die Teilnahme an, dass der Hausarzt die Versorgung nun koordiniert.

Für Dr. Christopher Hermann, Vorstands-Vize der AOK Baden-Württemberg, ist damit deutlich, dass die Lotsenfunktion des Hausarztes der "Dreh- und Angelpunkt" ist. "Die positiven Umfrage-Ergebnisse zeigen, dass Hausarztmodelle, die ihren Namen verdienen, im Gegensatz zu Ergebnissen anderer Umfragen durchaus wirkungsvoll sind."

Einzelne Elemente taugen nicht für große Verträge

Bei dem Hausarztmodell in Südbaden - ähnlich wie bei dem Schwesterprojekt Qualinet im Rhein-Neckar-Gebiet - handele es sich um "Leuchttürme": "Wir haben dies immer als Pilotprojekte gesehen, bei denen wir mit sehr engagierten Ärzten zusammenarbeiten", erläutert der AOK-Vize. Eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg des Modells sei dabei die bessere Vernetzung der Praxen. Das bestätigt Böckmann und verweist auf die "verbesserte Kooperation unter den Kollegen".

"Patienten im Modellprojekt fühlen sich besser begleitet." Dr. Harro Böckmann Hausarzt in Bad Krozingen

Allerdings hat das Modellprojekt auch gezeigt, welche Strukturelemente sich kaum auf einen flächendeckenden Hausarztvertrag übertragen lassen. So war in Südbaden geplant, dass die Ärzte ein Gesamtbudget für die Versorgung erhalten, also wirtschaftliche Verantwortung übernehmen. Für Hausarzt Böckmann ist das schwierig umsetzbar. Auch nach drei Jahren gebe es im Projekt noch keine konkreten Zielvereinbarungen. "Dazu brauchen wir noch genauere Zahlen, etwa über veranlasste Leistungen." Fazit für AOK-Vize Hermann: Eine Ergebnisverantwortung im großen Hausarztvertrag ist unpraktikabel: "Das wäre der Anfang vom Ende des Projekts gewesen."

Modellvorhaben zur hausärztlichen Versorgung

Das Hausärztliche Qualitäts- und Kooperationsmodell Südbaden wie auch das Schwester-Projekt Qualinet im Rhein-Neckar-Gebiet sind Modellprojekte nach Paragraf 63 SGB V. Danach können Kassen "zur Verbesserung der Qualität und Wirtschaftlichkeit" Modellvorhaben auflegen. Ziele können dabei die "Weiterentwicklung der Verfahrens-, Organisations-, Finanzierungs- und Vergütungsformen" sein. In Südbaden wurde das Modellprojekt im Juni 2004 zwischen der AOK und der QP Qualitätspraxen GmbH ohne Beteiligung der KV geschlossen. Merkmale des Modells sind unter anderem: Wegfall der Praxisgebühr, verpflichtende Qualitätszirkelarbeit, Terminvergabesystem, Patientenpass und ein Präventionsplan.

Die Laufzeit des Modellprojekts beträgt acht Jahre, in diesem Fall bis zum Jahr 2012.

Lesen Sie dazu auch: Kleine Hausarztmodelle sind Lernlabor für große Verträge

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