Kommentar
Ärzte erzwingen eine neue Agenda
Gesundheitspolitik spielt in Wahlkampfzeiten nur eine untergeordnete Rolle. Das liegt nicht nur am komplexen Thema, sondern auch am geringen innerparteilichen Stellenwert der Gesundheitspolitiker - wer zum Spitzenpersonal zählt, punktet mit anderen Themen. Hinzu kommt, dass sich die Akteure im Gesundheitswesen meist vornehm zurückhalten.
In diesem Jahr scheint es mit der Zurückhaltung zumindest der niedergelassenen Ärzte vorbei zu sein. Erste Aktionen wie eine Zeitungsannonce der Lübecker Ärzte zeigen, dass sich die Praxisinhaber wehren und den Bundestagswahlkampf nutzen werden. Der Frust an der Basis sitzt so tief, dass es nicht einmal funktionierender Organisationsstrukturen bedarf, um gegen die Gesundheitspolitik zu protestieren. In Lübeck haben 187 Ärzte Geld für einen Aufruf an die Patienten bezahlt, ohne dass ein Berufsverband oder ein Praxisnetz sie dazu aufgefordert hätte.
Für die große Koalition könnte diese Verärgerung Sprengstoff bedeuten. Besonders jüngere Ärzte sehen nicht mehr ein, warum sie ihre Patienten nicht über die Zukunft der ambulanten Versorgung aufklären sollen. Wenn das Lübecker Beispiel Schule macht, könnte die Gesundheitspolitik auch im Wahlkampf stärker in den Blickpunkt rücken.
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