Berliner Delegierte geben der Verbandsspitze einen Korb

Berlins Hausärzteverbands-Chef Hoffert hat mit AOK und IKK einen Hausarztvertrag vereinbart. Dem sollten die Delegierten nachträglich zustimmen - die weigern sich.

Von Ina Harloff Veröffentlicht:

BERLIN. Nach hitzig geführter Debatte hat die Delegiertenversammlung des Hausärzteverbandes Berlin-Brandenburg (BDA) am Mittwoch nachträglich die Hausarztverträge mit AOK und IKK abgelehnt. Landesverbands-Chef Dr. Peter Hoffert hatte die Vereinbarungen vorab unterschrieben. Die Delegierten aber lehnten mit 20 zu 14 Stimmen bei einer Enthaltung die Verträge ab.

Noch deutlicher fiel das Votum zum Hausarztvertrag der Signal Iduna IKK aus. Bis auf eine Ja-Stimme wurde der Vertrag ebenfalls abgelehnt. Die Delegierten sprachen zudem Hoffert, Hausärzteverbands-Chef Ulrich Weigeldt sowie Hauptgeschäftsführer Eberhard Mehl ihre Missbilligung im Hinblick auf die Umstände aus, die zur Unterschrift geführt haben.

Hoffert hatte ohne Zustimmung seiner Delegierten die Verträge nach Paragraf 73 b unterschrieben und sich über einen Delegierten-Beschluss vom November 2008 hinweggesetzt (wir berichteten). Danach müssen Verträge zwischen Krankenkassen und der Hausärztlichen Vertragsgemeinschaft (HÄVG) in der Delegiertenversammlung vorab diskutiert und befürwortet werden. Hofferts Alleingang hatte daher großen Unmut hervorgerufen. Der Verbandschef rechtfertigt sein Handeln damit, dass der BDA aufgrund seiner Mandatierung gesetzlich verpflichtet sei, den mandatierenden Ärzten einen Vertrag zu liefern.

"Dass wir unbedingt einen Vertrag abschließen müssen, ist so im Rechtssystem nicht ablesbar", widerspricht der Delegierte Dr. Hanjo Pohle. "Wir können nicht gezwungen werden, einen Vertrag zu unseren Ungunsten abzuschließen, nur um mit dem KV-System zu brechen. Hier geht es um Missionierung und nicht mehr um die Sache", so der Hausarzt aus Rathenow. Einige Delegierte werfen Hoffert vor, sich dem Druck des Bundesverbands gebeugt zu haben. "Mein Vertrauen in die HÄVG, den Bundesverband und in den Landesverband ist zerstört", sagt Dr. Michael-Christian Schulze. Als Konsequenz seines Verhaltens forderten die Delegierten Hoffert zum sofortigen Rücktritt auf, was dieser aber ablehnte. "Ich werde zurücktreten. Am 2. Juni, also zum Ende der Legislaturperiode." Hoffert verwies darauf, dass er seine Unterschrift unter mündlichem Gremienvorbehalt gegeben habe. Er baut nun darauf, dass die Kassen diesen akzeptieren. Viele Delegierte befürchten jedoch, dass dies nicht der Fall sein wird.

Der Bundesvorsitzende Ulrich Weigeldt versteht die Aufregung nicht: "Der Hausarztvertrag mit der AOK Berlin-Brandenburg und der IKK Brandenburg und Berlin ist bereits gut angelaufen: Binnen kurzer Zeit haben bereits knapp hundert Berliner Hausärzte ihre Teilnahmeerklärungen eingereicht. Diese freiwilligen Einschreibungen sind ein sehr positives Signal dafür, dass ein direkt verhandelter Vollversorgungsvertrag mit kalkulierbarer Vergütung auch in Berlin die Alternative zum Kollektivvertrag mit nicht kalkulierbaren Honorarzuteilungen ist", sagte Weigeldt.

Dass die Delegiertenversammlung dennoch anders entschieden habe, werde nächste Woche bei der Bundesdelegiertenversammlung in Dresden grundsätzlich diskutiert werden, kündigte Weigeldt an. Hausärzte in Berlin könnten demnächst Patienten aus vier Kassen im Rahmen von Vollversorgungsverträgen behandeln, sagte Weigeldt. Denn außer dem Vertrag mit AOK und IKK gebe es den bundesweiten Vertrag mit der Signal Iduna IKK. Außerdem lägen sei Kurzem Eckpunkte für einen bundesweiten Hausarztvertrag mit der Techniker Krankenkasse vor. Der BDA in Berlin hingegen will nach eigenen Angaben so schnell wie möglich die Berliner Hausärzte von seinen Beschlüssen in Kenntnis setzen.

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