Heroin-Ambulanzen sollen sicher sein wie Fort Knox

Fensterlose Räume mit Sicherungen wie in einer Bank, verdeckt installierte Überfallmelder - so sollen die Zentren aussehen, in denen in Baden-Württemberg künftig Diamorphin abgegeben wird.

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STUTTGART (fst). Das Landeskabinett in Stuttgart hat nach langem internen Widerstand Mitte Juni den Rechtsrahmen für die Umsetzung der diamorphingestützten Substitution in Baden-Württemberg vorgelegt. Das entsprechende Bundesgesetz ist bereits seit Juli 2009 in Kraft.

Mappus galt als rigoroser Kritiker des Projekts

Doch als Stefan Mappus (CDU) im Februar zum Ministerpräsidenten gewählt wurde, hielt man im Sozialministerium die Luft an: Mappus war - wie viele CDU-Kollegen im Südwesten -  als rigoroser Kritiker der Diamorphinabgabe in Erscheinung getreten. "Wir sind nicht bereit, finanziell in die Bresche zu springen", sagt der damalige CDU-Fraktionschef noch im Oktober 2008, als es um eine Anschlussfinanzierung für die Karlsruher Heroinambulanz ging.

Mit dem Kabinettsbeschluss hat Mappus zähneknirschend zugestimmt. Doch die administrativen Hürden sind hoch - Experten meinen: zu hoch. Das Sicherheitskonzept für die vermutlich zehn Standorte, an denen Diamorphin abgegeben werden soll, ist aufwändig. "Die baulichen Anforderungen sind - gelinde gesagt - übertrieben", sagt Dr. Gisela Dahl, Vorstandsmitglied bei der KV Baden-Württemberg. Das Beste sei, man kaufe für die Einrichtungen "eine alte Bank", meint Dahl. Denn das sechsseitige Sicherheitskonzept verlangt quasi den Bau eines Hochsicherheitstrakts für Lagerung und Abgabe des Diamorphins - Überfall- und Einbruchmeldeanlage mit Direktschaltung zur Polizei inklusive. Weil diese Infrastruktur kein Arzt alleine stemmen kann, zahlt das Land für jeden Standort einen Investitionszuschuss von 100 000 Euro.

Die politischen Debatten im Vorfeld hat KV-Vorstand Dahl nie verstanden: "Es geht um eine medizinische Behandlung, nicht um ein Politikum." Die Suchtmedizinerin Dr. Inge Hönekopp, die in Mannheim eine Methadon-Schwerpunktpraxis leitet, erinnert an den Modellversuch, der dem Beschluss des Bundestags im Juli 2009 vorausgegangen ist: "Die Begleitforschung zum Modellprojekt über die heroingestützte Behandlung Opiatabhängiger hat klar ergeben, dass diese Behandlungsform medizinisch und ökonomisch für Patienten, die GKV und die Gesellschaft insgesamt vorteilhaft ist." Der Kreis der in Frage kommenden Suchtkranken werde sehr klein sein. "In Mannheim werden es 15 bis 30 Personen sein. Ich denke, dass sich diese Zahl aber noch erhöhen wird", sagt Hönekopp. Insgesamt wird landesweit mit bis zu 300 Teilnehmern gerechnet.

Wahrscheinlich werden im laufenden Jahr nur die Standorte Karlsruhe und Stuttgart an den Start gehen. Dahl hofft, dass bis Ende 2011 auch Einrichtungen in Mannheim, Freiburg, Heilbronn, Tübingen/Reutlingen, Singen, Ulm und Ravensburg den Betrieb aufnehmen können.

Honorierung der Ärzte ist noch ungewiss

Aus Sicht des KV-Vorstands ist nicht ausgemacht, ob sich genügend Ärzte für die Arbeit in den Spezial-Einrichtungen finden. Denn unklar ist auch noch die Honorierung der Ärzte. Anfang Juli wird dazu im Bewertungsausschuss eine Entscheidung erwartet. Dass in der Politik das Misstrauen gegenüber substituierenden Ärzten noch längst nicht passé ist, zeigte im Dezember 2009 ein Papier der baden-württembergischen Landesregierung zur Honorierung der Diamorphin-Abgabe. Werde die Substitution "zu schlecht bezahlt, finden sich keine qualifizierten Ärzte, wird sie zu gut bezahlt, wird der Wechsel auf andere Substitutionsmittel erschwert", heißt es. Für KV-Vorstand Dahl eine befremdliche Sichtweise: "Ich gebe doch nicht Heroin ab, weil ich damit mehr Geld verdiene."



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