Prävention vor Ort - besser als Paragrafenlyrik

Die schwarz-gelbe Koalition hat ein nationales Präventionsgesetz zu den Akten gelegt. In Baden-Württemberg hält sich das Bedauern darüber in Grenzen. Mit der Gesundheitsstrategie setzt man dort auf regionale und lokale Gesundheitsförderungs- und Präventionspolitik.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Gesundheitsförderung in jeder Lebenslage - auch mit Kinderwagen.

Gesundheitsförderung in jeder Lebenslage - auch mit Kinderwagen.

© Rudel / imago

STUTTGART. Die im vergangenen Jahr von der Landesregierung formulierte Gesundheitsstrategie Baden-Württemberg hat das Ziel, chronische Erkrankungen bei Menschen effektiver als bisher zu vermeiden oder ihr Auftreten in eine spätere Lebensphase zu verschieben. Prävention und Gesundheitsförderung - so das Ziel - sollen gleichwertig neben den Säulen Behandlung, Rehabilitation und Pflege etabliert werden.

Daher soll die Gesundheitsstrategie auch eine gesundheitsfördernde Gesamtpolitik beschreiben - und nicht nur das Landesgesundheitsministerium einbeziehen. Entsprechend weit spannt Ressort-Chefin Dr. Monika Stolz (CDU) den Bogen und sieht Gesundheit als Grundlage für Lebensqualität und - wirtschaftliche - Prosperität: "In unserem Verständnis hat Gesundheit als Standortfaktor den gleichen Stellenwert wie Bildung", sagt Stolz der "Ärzte Zeitung". Die Gesundheitsstrategie versteht sich dabei als Integrationsplattform für regionale und lokale Programme und Projekte aus allen Politikfeldern. "Wir brauchen für die Umsetzung der Gesundheitsstrategie unbedingt die Kommunen", stellt Stolz klar. Städte und Gemeinden sollen eine Kommunikationsplattform sein, in der Ärzte aus Klinik und Praxis, andere Heilberufe oder Unternehmen der Gesundheitswirtschaft sich leichter vernetzen können als andernorts im sonst streng sektoralen Gesundheitswesen. Wichtig ist für Ministerin Stolz, dass "wir den Kommunen aber keine Vorgaben machen".

Vernetzung heißt auch: Das Rad wird nicht neu erfunden

Dabei gehe man vom so genannten Setting-Ansatz aus: "Wir fragen nach gesundheitsförderlichen Lebenswelten beispielsweise in Kindertagesstätten, Schulen oder Betrieben", erläutert sie.

Oder aber in der Volkshochschule, wo die Gesundheitsförderung beispielsweise in Reutlingen fest verankert ist. Geschäftsführer Dr. Ulrich Bausch misst der VHS gar eine "Schlüsselrolle" in der Gesundheitsförderung zu. Leitend sei dabei das Konzept der "Selbstfürsorge" - jeder kann aktiv seinen Gesundheitszustand beeinflussen. Die Volkshochschule böten dafür das "einzige flächendeckende Netz mit Qualitätsstandards", zeigt sich Bausch überzeugt. Kurse von Wirbelsäulengymnastik bis hin zu "Slow-motion-Fitness" für Menschen mit Übergewicht gewännen stetig an Zulauf. Besuchten im Jahr 2005 noch 8000 Bürger die Kurse, so waren es im vergangenen Jahr über 10 200 - bei 120 000 Einwohnern.

"Gesundheit hat den gleichen Stellenwert wie Bildung." (Dr. Monika Stolz, Landesgesundheitsministerin in Baden-Württemberg)

"Gesundheit hat den gleichen Stellenwert wie Bildung." (Dr. Monika Stolz, Landesgesundheitsministerin in Baden-Württemberg)

© dpa

Trotz bescheidener Förderung durch das Land fördere man konsequent die Teilnahme von Bürgern mit geringem Einkommen. Beziehern von Arbeitslosengeld II werden 75 Prozent der Kurskosten erlassen. Doch wie können erfolgreiche lokale Strukturen der Gesundheitsförderung vernetzt werden?

Am leichtesten können Kommunen vom konkreten Modell lernen, ein Beispiel ist der Schwarzwald-Baar-Kreis. Dort, erläutert Frank Winkler vom Ersatzkassenverband vdek, "gibt es bereits regionale Strukturen, die dem bereits sehr nahe kommen, was wir mit der Gesundheitsstrategie wollen". Die Entstehung des dortigen Gesundheitsnetzes geht auf das Jahr 2004 zurück, berichtet der Netzwerk-Vorsitzende Thomas Bank, der zugleich Geschäftsführer der Kur und Bäder GmbH Bad Dürrheim ist. Das Netz will lokale Gesundheitsangebote bündeln und für Bürger, Patienten und Leistungsanbieter transparent machen. Der Kreis ist ein Gesundheitsstandort par excellence und verfügt über 7,3 Prozent der Reha-Betten in ganz Baden-Württemberg, hat 17 Reha- und Fachkliniken, 220 Fach- und 140 Hausärzte. Beschäftigt sind dort im Gesundheitssektor insgesamt 8200 Menschen. "Wir wollen Lotse für Gesundheitsangebote sein", erläutert Bank.

Chancen auf Kooperation werden nicht genug genutzt

Frank Winkler vom vdek, einer der Leiter der Projektgruppe "Gesundheitskonferenzen", hofft, dass Landkreise wie Schwarzwald-Baar, die Gesundheitskonferenzen aktiv angehen, "auf andere Kreise und Regionen ausstrahlen". Im September soll dem Gesundheitsministerium ein Zwischenbericht vorgelegt werden. Dieser "soll Kommunen und Kreisen konkrete Handlungsempfehlungen an die Hand geben, wie sie diese Konferenzen initiieren und fördern können". Dann können Kommunen lokale Gesundheitsförderung starten, die an den Bedürfnissen der Menschen vor Ort orientiert ist - und werden ein nationales Präventionsgesetz nicht vermissen.


Informationen zum Gesundheitsforum: www.gesundheitsforum-bw.de Die Gesundheitsstrategie ist abrufbar unter: www.sozialministerium-bw.de/fm7/1442/Gesundheitsstrategie-Konzeption.pdf

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Gesundheit soll Bürgersache sein

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