Patienten verstehen bei Selektivverträgen oft nur Bahnhof

Neue Vertragsformen wie etwa Hausarztverträge sind zu wenig transparent, meint ein Forscher, der Informationsmaterial der Kassen zum Thema ausgewertet hat.

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Warum sich ein Patient für den Hausarztvertrag einschreiben soll, erschließt sich ihm oft nicht. Die Vorteile seien zu wenig transparent, kritisieren Experten.

Warum sich ein Patient für den Hausarztvertrag einschreiben soll, erschließt sich ihm oft nicht. Die Vorteile seien zu wenig transparent, kritisieren Experten.

© KPA

MÜNCHEN (sto). Patienten sind über die Vor- und Nachteile neuer Versorgungsformen, zu denen auch Haus- und Facharztverträge gehören, oftmals nur unzureichend informiert.

Die neuen Vertragsformen seien für die Versicherten und Patienten viel zu wenig transparent, sagte der Gesundheitswissenschaftler Professor Matthias Schönermark aus Hannover in einer Diskussionsveranstaltung in München, zu der der Verband der forschenden Pharmaunternehmen in Deutschland (vfa) eingeladen hatte.

"Höhere Behandlungsqualität" nicht genau erklärt

Eine systematische Auswertung von Informationsmaterialien der Kassen habe ergeben, dass den Versicherten zwar durchweg eine "höhere Behandlungsqualität" versprochen wird, wenn sie sich in einen Selektivvertrag einschreiben. Was genau die "höhere Behandlungsqualität" ausmache, bleibe jedoch in der Regel unklar, so Schönermark.

Vor diesem Hintergrund hat Schönermark eine Checkliste zu den Anforderungen an Haus- und Facharztverträge aus Patientensicht und einen Fragenkatalog ausgearbeitet, den Patienten einsetzen können, bevor sie sich für die Teilnahme an einem Selektivvertrag entscheiden.

Eine der Kernfragen betrifft die Auswirkungen, die eine Einschreibung des Patienten auf das Verordnungsverhalten des Arztes hat, erläuterte Schönermark. So habe beispielsweise die Arzneimittelsteuerung im baden-württembergischen AOK-Hausarztvertrag über ein Ampelsystem inzwischen durchaus zu einer unterschiedlichen Versorgung bei eingeschriebenen und nicht eingeschriebenen Patienten geführt, begründete Schönermark seine Empfehlungen.

Selektivverträge häufig nicht nachvollziehbar

Selektivverträge seien für die Patienten häufig nicht nachvollziehbar und gingen auch an deren Bedürfnissen vorbei, erklärte der Geschäftsführer der Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe Bayern, Reinhard Kirchner.

Die Vertragspartner verfolgten in erster Linie ihre eigenen Interessen, indem einerseits Einsparungen und andererseits höhere Vergütungen angestrebt werden. Deshalb wäre es wünschenswert, wenn Patientenverbände bei der Vertragsgestaltung stärker eingebunden würden, sagte Kirchner.

Mit den 73b-Verträgen haben die Hausärzte erstmals die Chance, die hausärztliche Versorgung auch unter strukturpolitischen Gesichtspunkten in direkten Verhandlungen mit den Krankenkassen zu gestalten, betonte der Vorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbandes (BHÄV), Dr. Dieter Geis.

vfa: Therapiefreiheit sollte weitestgehend erhalten bleiben

Demgegenüber erklärte der Leiter der Ersatzkassenvertretung in Bayern, Dr. Ralf Langejürgen, die Umsetzung der Hausarztverträge habe für die Kassen, deren Handlungsspielräume begrenzt seien, erhebliche finanzielle Auswirkungen.

Der Vertreter des vfa Frank Toss meinte, auch in den Selektivverträgen sollte die Therapiefreiheit weitestgehend erhalten bleiben. Die Patienten sollten wissen, welche Behandlungen ihnen in einem Selektivvertrag zur Verfügung stehen werden.

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