Wie Ministerin Schwesig Ärzte umgarnt

Wenn am 4. September in Mecklenburg-Vorpommern gewählt wird, entscheidet sich die Zukunft der Koalition aus SPD und CDU. Gesundheitsministerin Manuela Schwesig hat rechtzeitig ihr Verhältnis zu Ärzten entkrampft.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Mit Großplakaten der Spitzenkandidaten gegen Wahlmüdigkeit.

Mit Großplakaten der Spitzenkandidaten gegen Wahlmüdigkeit.

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SCHWERIN. Im Terminkalender der SPD Mecklenburg-Vorpommern müssen kurz vor der Landtagswahl alle bekannteren Parteigrößen durch das Land touren. Gesundheitsministerin Manuela Schwesig aber nimmt neben Ministerpräsident Erwin Sellering eine Sonderrolle ein. Sie ist das Zugpferd der Partei. Diese Position hat sie sich durch politisches Talent erarbeitet, ihr Amt im Kabinett spielt dagegen bestenfalls eine untergeordnete Rolle.

Man darf davon ausgehen, dass das Gesundheitsministerium in Schwerin nur eine Zwischenstation für die 36-jährige Finanzwirtin ist. Viele Ärzte werden ihr nicht nachtrauern. Schwesig hat sich von Beginn an nur sehr zögerlich ärztlichen Belangen angenommen, fast verweigert.

Wenn sie sich zu Themen wie Sicherstellung äußerte, gab es häufig Probleme mit der KV, die der Ministerin zentralistische Planung vorwarf und sie in einer Pressemitteilung im April schon als gescheitert bezeichnete.

Hat als SPD-Hoffnungsträgerin auch Berlin im Blick: Ministerin Manuela Schwesig.

Hat als SPD-Hoffnungsträgerin auch Berlin im Blick: Ministerin Manuela Schwesig.

© dpa

Pünktlich zum Wahlkampf hat Schwesig offenbar erkannt, dass die Ärzte über ihre Praxen viele Wähler erreichen können. Im Juli bat sie die KV um eine konstruktive Zusammenarbeit und hörte sich an, was die Ärzte von ihr erwarten. Zumindest Wahrnehmung und Wertschätzung forderte die KV von ihr ein - was sich seitdem in Stippvisiten der Ministerin in ambulanten Einrichtungen zeigt.

Zugeständnis für Öffnung von Kliniken für ambulante Behandlungen

Weitaus wichtiger dürfte ein anderes Ergebnis des Treffens sein: KV-Chef Dr. Wolfgang Eckert nutzte die Gelegenheit, Schwesig ein Zugeständnis zum Thema 116 b - der Öffnung von Kliniken für bestimmte ambulante Behandlungen - abzuringen.

Seitdem sollen Kliniken binnen acht Wochen nach Antragstellung Benehmen mit der KV darüber herstellen, wie die spezialisierte Versorgung unter Berücksichtigung der bestehenden ambulanten Versorgungsangebote erfolgen kann.

Erst danach wird das übliche Verfahren zur Antragbearbeitung im Ministerium durchgeführt. Die KV hat damit die Chance, alternative Versorgungsmodelle darzustellen, um nachfolgende Gerichtsverfahren zu vermeiden. Wo aus Anträgen echte Konkurrenz zu den Arztpraxen werden könnte, droht seit der Vereinbarung scharfer Gegenwind.

Geriatrieplan wurde verabschiedet

Schwesig ist neben ihrer Vorgängerin Marianne Linke von den Linken und dem CDU-Abgeordneten Harry Glawe die einzige Politikerin im Landtag in Mecklenburg-Vorpommern, die sich über einen längeren Zeitraum mit dem Thema Gesundheit beschäftigt hat.

Zählbares ist dabei bis zur Vereinbarung mit der KV allerdings kaum herausgekommen. Eine der wenigen Ausnahmen war der in diesem Jahr verabschiedete Geriatrieplan für das Land, mit dem die Rahmenbedingungen für die altersmedizinische Versorgung verbessert werden sollen.

Ein Baustein dazu ist ein geriatrisches Screening für alle Patienten über 65 Jahren bei der Aufnahme in einem Akutkrankenhaus. Der gemeinsam mit der Selbstverwaltung erarbeitete Plan ist deutlich konkreter als das, was die wichtigsten Parteien in ihren Wahlprogrammen zum Thema Gesundheit ihren Wählern in Aussicht stellen. Ein Überblick:

CDU: Das Hausarztsystem ist für die Christdemokraten Grundlage für eine wohnortnahe Versorgung. Deshalb sollen der Berufswunsch Hausarzt gestärkt und Hemmnisse in der Weiterbildung beseitigt werden. Die KV soll dabei unterstützt werden, finanzielle Anreize für dünn besiedelte Regionen zu bieten.

SPD: Hier wird zunächst der Erhalt der Kliniken in den Vordergrund gestellt, dann eine stärkere Vernetzung mit ambulanten Angeboten angemahnt. Um den Beruf des Hausarztes attraktiver zu machen, setzen die Sozialdemokraten auf neue Auswahlverfahren beim Medizinstudium.

Linke: Bekannte Forderungen wie die nach einer Bürgerversicherung und der Rücknahme aller Zuzahlungen werden flankiert durch die Zusicherung nach Zusammenarbeit mit der Selbstverwaltung bei der Suche nach Lösungen etwa bei der Nachwuchsgewinnung. Private Kliniken sollen rekommunalisiert werden.

FDP: Die Liberalen halten Anreize für erforderlich, um die sich abzeichnende Unterversorgung abzuwenden. Dafür soll das Honorarsystem grundlegend verändert werden. Zugleich will man ein Konzept erstellen, nach dem man abgewanderte Mediziner zurück ins Land holen kann.

Grüne: Sie fordern eine bessere Ausstattung für die Allgemeinmedizin an den Hochschulen. In der Verantwortung sehen sie dafür das Land. In unterversorgten Regionen wollen sie Stipendien für Hausärzte ausloben.

Außer dem Abschneiden der bekannten Parteien wird im Nordosten beobachtet, wie sich der Zuspruch zur NPD entwickelt. Derzeit versucht die Partei, sich durch Biederkeit und Bürgernähe zu profilieren. Bei über sieben Prozent der Wähler verfing dies bei der vergangenen Wahl.

Fest steht, dass die Bemühungen von Gesundheitsministerin Schwesig um die Ärzte kurz vor der Wahl Wirkung gezeigt haben. Die KV attestierte der Ministerin kürzlich, dass sie inzwischen die Leistungsfähigkeit der ambulanten Medizin würdigt - im Vergleich zum April ein Fortschritt.

16 Parteien und zwei Ärzte als Kandidaten

Um die 71 Mandate im Schweriner Landtag bewerben sich Kandidaten aus 16 Parteien. Zwei Ärzte sind darunter: Die Hausärztin Dr. Gesine Bank aus Schwerin tritt für die Freien Wähler an, der Nervenarzt Dr. Dietrich-Eckard Krause kandidiert für die FDP.

Bei der Wahl 2006 wurde die SPD stärkste Partei, sie regiert zusammen mit der CDU. Im Landtag sind zudem die Linke, FDP und NPD. Die Grünen waren gescheitert, ihnen werden nun bessere Chancen als der FDP prognostiziert. Rund 1,4 Millionen Menschen sind wahlberechtigt. 2006 nahmen weniger als 60 Prozent dieses Recht in Anspruch.

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