Alter Streit um Ärztemangel neu entfacht

Jetzt geht es an die Details im Versorgungsstrukturgesetz. Kassen und KVen kritisieren die schwarz-gelbe Koalition scharf - und reiben sich letztlich weiter an der Frage, ob es einen Ärztemangel gibt oder nicht.

Von Sunna Gieseke Veröffentlicht:
Dr. Gerd Zimmermann, stellv. Vorsitzender KV Hessen und Thomas Ballast, vdek-Vorstandschef (v. li.)

Dr. Gerd Zimmermann, stellv. Vorsitzender KV Hessen und Thomas Ballast, vdek-Vorstandschef (v. li.)

© KV Hessen | Sven Bratulic

BERLIN. Gibt es einen Ärztemangel oder nicht? Diese Frage sorgt zwischen Kassenärztlichen Vereinigungen und Kassen weiterhin für Zoff. "Wir haben viel mehr Absolventen des Medizinstudiums als andere Länder", sagte Karl-Heinz Schönbach, Geschäftsführer Versorgung beim AOK-Bundesverband.

2009 gab es 10.000 Medizinabsolventen

In Deutschland hätten 2009 insgesamt 10.000 Medizinstudenten die Uni verlassen, in Japan seien es 7.500 gewesen, in den USA 19 500. Laut Deutschem Hochschulmedizinverband werden demnach in Deutschland doppelt so viele Ärzte ausgebildet, wie in Japan und den USA.

Deutschland bilde sogar Ärzte für andere Länder wie die Schweiz aus, so Schönbach. "Es gibt allenfalls ein regionales Verteilungsproblem, kein akutes Angebotsproblem bei Ärzten", so sein Fazit.

Er räumte allerdings ein, dass es durchaus Versorgungsprobleme in strukturschwachen Städten gebe - somit eben nicht nur auf dem Land, sondern auch in der Stadt.

Mehr Landärzte nur bei gleichzeitigem Abbau der Überversorgung

Das von der schwarz-gelben Koalition auf den Weg gebrachte Versorgungsstrukturgesetz sei allerdings als "Landarztgesetz gegen einen angeblichen Ärztemangel in Gang gesetzt" worden, kritisierte Schönbach. "Mehr Landärzte kann es aber nur geben, wenn die Überversorgung gleichzeitig abgebaut wird", so Schönbach.

Bisher sei allerdings keine gesetzliche Verpflichtung der KVen zu diesem Punkt vorgesehen. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) betone, dass KVen doch die Möglichkeit hätten, Praxen aufzukaufen.

"Das Landarztgesetz sieht eine Reihe von Maßnamen gegen Überversorgung vor", widersprach dagegen ein BMG-Sprecher auf Nachfrage der "Ärzte Zeitung". Das parlamentarische Verfahren biete zudem Raum für Diskussionen.

"Die Krankenkassen haben künftig weniger Einfluss"

Der Vorstandschef des Verbandes der Ersatzkassen, Thomas Ballast, kritisierte den Kabinettsentwurf des Versorgungsgesetzes scharf: "Die Krankenkassen haben künftig weniger Einfluss" - denn man kehre zurück zur "Honorarautonomie der Kassenärztlichen Vereinigungen".

Dadurch gebe es regional zwar mehr Spielräume, allerdings steige die Intransparenz durch die regional unterschiedliche Honorarverteilung, so Ballast.

Kassen leugnen immer noch den drohenden Ärztemangel

Der stellvertretende Vorsitzende der KV Hessen, Dr. Gerd Zimmermann, konterte: Kassen leugneten immer noch den drohenden Ärztemangel.

Wer nur die Köpfe der Medizinabsolventen und Ärzte zähle, zähle eben falsch. Inzwischen gebe es immer mehr Frauen in dem Beruf, die aber oft nicht Vollzeit arbeiteten, so Zimmermann. Es sei also auch notwendig, einen Blick auf die Arbeitszeit zu werfen.

Er mahnte an, dass die geplante Abschaffung der Abstaffelung der Regelleistungsvolumina in unterversorgten Gebieten extrabudgetär vergütet werden müsste.

Ärztemangel auf dem Land langfristig zu einem Ärztemangel in der Stadt

Sollte dies aus dem gedeckelten Budget entnommen werden, könnte das langfristig dazu führen, dass der Ärztemangel auf dem Land, zu einem Ärztemangel in der Stadt werde.

"Wir werden keinen Cent für den Aufkauf von Praxen ausgeben", betonte Zimmermann. Den Ärztemangel auf dem Land könne man am besten durch die Aufhebung der Bedarfsplanung in den Griff kriegen. Es müsse den KVen überlassen werden, wie sie die Ärzte in unterversorgte Gebiete locken.

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