Bessere Fortbildung erhöht Versorgungsqualität

Der Hausärzteverband in Baden-Württemberg geht mit Fortbildungen im Rahmen der Hausarztverträge neue Wege. Das nützt den Patienten, schröpft aber die Verbandskasse. Jetzt sucht der Hausärzteverband nach finanziellen Alternativen.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:

STUTTGART. Die Zahlen sind beeindruckend: Fast 400 hausärztliche Qualitätszirkel gibt es in Baden-Württemberg, über 2800 Sitzungen wurden bereits abgehalten, an denen 3367 Hausärzte teilgenommen haben.

Hinzu kommen landesweit über 100 hausärztliche Stammtische sowie klassische Frontalveranstaltungen wie den Landes-Hausärztetag. Weiterhin werden Medizinische Fachangestellte zu Hausarztverträgen geschult - mit bisher über 7000 Teilnehmern.

"Nur über das Wie macht sich keiner Gedanken"

Der Hausärzteverband nutzt die 73b-Verträge, um die bisherige Fortbildung von Allgemeinmedizinern vom Kopf auf die Füße zu stellen. Denn die herkömmliche Fortbildung sei "rein universitär", "unstrukturiert" und lasse "keine inhaltlichen Schwerpunkte erkennen", sagt Dr. Berthold Dietsche, Chef des Landes-Hausärzteverbands.

Angesichts der steigenden Morbidität sei jedem Kundigen klar, dass das System der ambulanten Versorgung umgebaut werden muss, erinnert Dietsche. "Nur über das ,Wie‘ macht sich keiner Gedanken."

Dietsche: Struktur aus dem Nichts aufgebaut

Genau das war beim Start des AOK-Hausarztvertrags im Mai 2008 das Problem. Eine spezifische Fortbildung, wie sie der Gesetzgeber im Paragrafen 73 b SGB V verlangt, existierte bis dato nirgends.

Die gesetzlichen Vorgaben hätten mehr Fragen aufgeworfen als Antworten gegeben, erinnert sich Dietsche: "Was ist genau mit strukturierten Qualitätszirkeln gemeint, was zeichnet ,besonders geschulte Moderatoren‘ aus? Wir mussten eine neue Struktur förmlich aus dem Nichts aufbauen."

"Weder ein Anhängsel der Ärztekammer, noch vom Hausärzteverband beeinflusst"

Wichtiger Baustein dieser Struktur ist die Fortbildungskommission, die durch den Landeshausärzteverband gegründet worden ist. Mitglieder sind das Institut für hausärztliche Fortbildung (IhF), die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) sowie die Landes-Universitäten mit ihren Lehrstühlen für Allgemeinmedizin.

Die Kommission, versichert Dietsche, ist völlig autonom, sie sei "weder ein Anhängsel der Ärztekammer, noch wird sie in irgendeiner Form vom Hausärzteverband beeinflusst". Das Gremium legt fest, welche Veranstaltungen zertifiziert und damit im Rahmen der Pflichtfortbildungen anerkannt sind.

AQUA-Institut: Leitlinienkonforme Behandlung

Zeigen kann der Hausärzteverband auf Basis der Zahlen von 2009, dass die neue Fortbildungsstruktur kein Selbstzweck in Hausarztverträgen ist. Beispiel Patienten mit Herzinsuffizienz: Hier macht eine Auswertung des AQUA-Instituts (Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen) in Göttingen, das den AOK-Vertrag wissenschaftlich begleitet, deutlich, dass im Hausarztvertrag mehr dieser Patienten leitlinienkonform behandelt werden als in der Kollektivversorgung.

Im Laufe des Jahres 2009 ist der Anteil der Herzinsuffizienz-Patienten, die weder Hemmstoffe des Renin-Angiotensin-Systems noch Betablocker verordnet bekamen - die also nicht leitlinienkonform behandelt wurden -, im Hausarztvertrag deutlich stärker gesunken als in der Regelversorgung. Hausarztverträge, folgert Dietsche, seien "kein Spar-, sondern ein Qualitätsmodell".

Versicherte im Hausarztvertrag im Schnitt 60 Jahre alt

Dass Hausärzte im Selektivvertrag Leitlinien für die Behandlung von Herzinsuffizienz-Patienten konsequent umsetzen, ist auch vor dem Hintergrund der Altersstruktur der Patienten wichtig.

Die Versicherten im Hausarztvertrag sind im Durchschnitt 60 Jahre alt, in der Regelversorgung sind die Patienten im Schnitt zehn Jahre jünger.

Nur die AOK kofinanziert diese Struktur

Die qualitativ bessere Versorgung ist für Dietsche ein unmittelbares Resultat auch der neuen Fortbildungsstruktur. Doch diese hat einen Preis, den bislang allein die Hausärzte zahlen. Denn die aufwendige Infrastruktur für die Fortbildung werde "allein aus Verbandsmitteln gestemmt und basiert damit auf der ,bewährten‘ Selbstausbeutung von Ärzten", klagt Dietsche.

Lediglich die AOK kofinanziert diese Struktur; das AQUA-Institut betreut im Auftrag der Vertragspartner die Qualitätszirkel für Pharmakotherapie.

Auch andere Kassen sollten sich an der neuen Form der hausärztlichen Fortbildung in Baden-Württemberg beteiligen, fordert Dietsche.

Spätestens im Juni 2012, wenn die umfassende Evaluierung des AOK-Vertrags durch mehrere Universitäten vorliegt, werde auch für die letzte Kasse deutlich sein, inwiefern die hausarztzentrierte Versorgung auch ihren Versicherten nutzt, hofft der Verbandschef.

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