Hessen: Beim Notdienst knirscht es

In Hessen hat die KV die Bezirke des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes neu und größer zugeschnitten. Ziel: Mehr Freizeit für die Ärzte. Aber gerade im Speckgürtel von Frankfurt knirscht es. Nebenwirkung: Notfallpatienten rufen häufiger nach dem teuren Rettungsdienst.

Von Sabine Schiner Veröffentlicht:
Die neue Nummer für den Notdienst - dessen Reform in Hessen gerade für Ärger sorgt.

Die neue Nummer für den Notdienst - dessen Reform in Hessen gerade für Ärger sorgt.

© Patrick Pleul / dpa

FRANKFURT/MAIN. Mindestens 50 Ärzte sollen künftig pro Bezirk beim Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD) zusammenarbeiten. Das ist einer der Punkte, den die KV Hessen mit der Reform des ÄBD auf den Weg bringen will. Die Pläne sind umstritten.

Im Dezember haben sich knapp 200 niedergelassene Ärzte im östlichen Main-Kinzig-Kreis zu einem Bezirk zusammengeschlossen. An den Main-Kinzig-Kliniken in Gelnhausen und Schlüchtern wurde ein zentraler Hausbesuchsdienst eingerichtet.

Anders war die Versorgung außerhalb der Sprechzeiten in der Region nicht mehr sicherzustellen. Doch was für viele ländliche Gebiete eine 1a-Lösung ist, stößt in Ballungsgebieten auf Widerspruch.

Seit April müssen etwa die Patienten in Kelkheim und Liederbach nördlich von Frankfurt ins zehn Kilometer entfernte Hofheim, wenn sie außerhalb der Praxisöffnungszeiten einen Arzt brauchen.

Die Zahl der Patienten, die in Kelkheim während des Bereitschaftsdienstes behandelt wurden, ist in den vergangenen Jahren zurückgegangen. "Kleinere ÄBD-Gemeinschaften werden auf Dauer nicht überlebensfähig sein", heißt es dazu bei der KV in Frankfurt am Main.

Notdienst wichtig für Ältere

In Hofheim könne die Zentrale an ein Krankenhaus angesiedelt werden. Damit sei das gesamte therapeutische und diagnostische Spektrum der Klinik samt Stärkung des Hausbesuchsdienstes auch für den Bereitschaftsdienst auf kürzestem Wege verfügbar.

Die Argumente der KV leuchten dem Kelkheimer Bürgermeister Thomas Horn (CDU) ein. Er ist mit einer Ärztin verheiratet und kann gut nachvollziehen, dass Ärzte nachts und am Wochenende dienstfrei haben wollen und auf der Vereinbarkeit von Beruf und Familie bestehen.

Doch aus seiner Sicht gehört in eine Stadt mit 30.000 Einwohnern ein Bereitschaftsdienst dazu. "Für ältere Menschen sind kurze Wege wichtig", sagt er.

Kelkheim sei der "Herzmuskel des Rhein-Main-Gebiets", Grundstückspreise und Mieten seien hoch, die Anspruchshaltung der Bürger groß. Das Kostenargument der KV hält er nur bedingt für tauglich.

"Ich glaube, dass viele Bürger auf den Rettungsdienst ausweichen werden." Im Wetteraukreis ist genau das bereits geschehen. Dort wurden in den vergangenen Monaten mehrere Notdienstbezirke fusioniert.

Nach Angaben des dortigen Rettungsdienstleiters Dr. Reinhold Merbs ist in der Folge die Zahl der Einsätze um mehr als zehn Prozent gestiegen. Horn kritisiert das schablonenhafte Vorgehen der KV.

Angst vor Zerstörung funktionierender Bereiche

Es gebe schließlich ein deutliches Nord-Süd-Gefälle im Land. Die älteren Bürger in Kelkheim seien umgeben von vielen Singles, die in Frankfurt arbeiteten. Familienverbünde, die sich in manch ländlichen Gebieten gegenseitig helfen, seien eher selten.

"Es fehlt der Blick für Details und für regionale Begebenheiten", so die Kritik des Bürgermeisters. Er hätte sich zudem gewünscht, wenn er von der KV früher über die Pläne der Umstrukturierung erfahren hätte.

Kritik kommt auch von Ärzten selbst. "Wir stimmen absolut überein mit der KV Hessen, dass es eine Reform des Bereitschaftsdienstes in Hessen geben muss", heißt es auf Nachfrage bei der Initiative ÄBD-Reform Hessen, der sich im vergangenen November Ärzte aus 68 Bereitschaftsdiensten angeschlossen haben.

Die Überlegungen der KV gingen in eine falsche Richtung, heißt es in den "Eckpunkten für eine zukunftsorientierte Reform".

Die Ärzte fürchten, dass die geplante Zentralisierung in Verbindung mit massiven Honorareinbußen zur Zerstörung gewachsener und gut funktionierender Bereitschaftsdienstbereiche führt.

Zu den Eckpunkten gehört die Forderung, dass die Honorare weiter nach EBM bezahlt werden und dass eine Garantiepauschale von 50 Euro pro Stunde pro Bereitschaftsdienst eingeführt wird.

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