Hintergrund

Letztes Gefecht um die Allgemeinmedizin im PJ?

Die Entscheidung naht: Wird es ein Pflichtquartal Allgemeinmedizin im Praktischen Jahr geben? Dagegen stellen sich nicht nur die Medizinstudenten. Doch bei aller Kritik ist in Vergessenheit geraten, was sich noch ändern soll.

Von Rebecca Beerheide Veröffentlicht:
Ein deutliches "Nein": Proteste der Medizinstudenten gegen das Pflichtquartal in der Allgemeinmedizin in Münster.

Ein deutliches "Nein": Proteste der Medizinstudenten gegen das Pflichtquartal in der Allgemeinmedizin in Münster.

© FSMED/Lukas Materna / bvmd

Wenn der derzeit amtierende Bundesratspräsident und Ministerpräsident in Bayern, Horst Seehofer (CSU), am Freitag den Tagesordnungspunkt 61 der 896. Sitzung des Bundesrates aufruft, werden Mediziner, Standespolitiker und Medizinfakultäten die Luft anhalten:

Mit Spannung wird erwartet, wie sich die Ländervertreter in vielen Detailfragen zur "Ersten Verordnung zur Änderung der Approbationsordung für Ärzte" positionieren werden.

In den vergangenen Tagen und Wochen hatten sich die Standesorganisationen, Fachgesellschaften wie Studentenvertreter ein bisweilen hitziges Wortgefecht über den Ländervorschlag geliefert, künftig im Praktischen Jahr (PJ) eine Pflichtzeit in der Allgemeinmedizin einzuführen:

Hausärzte-Chef Ulrich Weigeldt erklärte, die Studentenproteste müsse man nicht beachten, was wiederum eine heftige Diskussion bei Facebook hervorrief und Weigeldt einige offene Briefe einbrachte.

In 13 Städten, darunter Göttingen, Jena, Leipzig, Köln und Heidelberg, demonstrierten Medizinstudenten gegen das "Qual-Quartal", wie sie es nennen.

Und der Medizinische Fakultätentag rechnete vor, wie viele Mehrkosten durch die Allgemeinmedizin im PJ entstehen würden, wogegen sich die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) mit eigenen Berechnungen wehrte.

Gegner wollen die Weiterbildung Allgemeinmedizin stärken

Dabei geht es, so betonen alle Gegner des Pflichtquartals, nicht um eine "Diskreditierung" der Allgemeinmedizin. Vielmehr müsse die Weiterbildung Allgemeinmedizin gestärkt werden.

Die Bundesländer, deren Vorschlag das Pflichttertial ist, verhalten sich in der Diskussion auffällig ruhig bis gar verschwiegen. Selten dringt ein Wort über die offiziellen Kanäle dazu durch.

Dabei gibt es in der aktuellen Abstimmungsvorlage des Bundesrates noch gar keinen Eintrag über das Thema Pflichttertial oder -quartal Allgemeinmedizin im PJ.

In der Vorlage heißt es lediglich: "Bis zum Beginn des Praktischen Jahres im Oktober 2019 stellen die Universitäten sicher, dass alle Studierenden der jeweiligen Universität den Ausbildungsabschnitt in der Allgemeinmedizin absolvieren können."

Vorgesehen ist, dass für bis zu 20 Prozent der Studenten Plätze vorgehalten werden.

"Dies wird aller Voraussicht nach ausreichen, um die Nachfrage der Studierenden nach einem Wahltertial Allgemeinmedizin zu erfüllen", heißt es in der Begründung.

Es wird aber damit gerechnet, dass im Laufe der Bundesratsdiskussion ein Land den Antrag einbringen wird, über ein Pflichtquartal Allgemeinmedizin abzustimmen.

PJ in vier Abschnitten hätte weitere Änderungen zur Folge

Die Änderung des PJ von drei auf vier Abschnitte würde allerdings eine Reihe von weiteren Veränderungen in der Approbationsordnung nach sich ziehen, die noch nicht eingearbeitet sind.

Durch die schlagzeilendominierende Diskussion über die Allgemeinmedizin - sie wird künftig zusätzlich durch ein erweitertes, zweiwöchiges Blockpraktikum gestärkt -  sind weitere Änderungen der Approbationsordnung fast untergegangen.

So brachten die Ländervertreter einen Kompromissvorschlag ein, der die bislang unversöhnlichen Positionen der Studenten und des Medizinischen Fakultätentages über die Mobilität im PJ zusammenbringen konnte.

Bisher war es für Studenten einfacher, ein Teil des PJ im Ausland zu absolvieren, als zwischen Kiel und München zu wechseln.

Nach der Novellierung schreibt die Approbationsordnung vor, dass es Wahlmöglichkeiten zwischen den Kliniken verschiedener Universitäten gibt, "sofern dort genügend Plätze zur Verfügung stehen".

Damit ist auch sichergestellt, dass nicht jede Universität mit rund 600 Lehrkrankenhäusern Verträge abschließen muss, was der Medizinische Fakultätentag befürchtet hatte.

PJ könnte auch in Teilzeit gemacht werden

Außerdem wird das Hammerexamen deutlich entzerrt, der schriftliche Teil der Prüfung soll vor das PJ verlegt werden, die mündlichen Prüfungen folgen danach.

So soll gewährleistet werden, dass während des PJ die Studenten sich auf die klinische Tätigkeit konzentrieren können.

Auch soll es künftig möglich sein, das PJ in Teilzeit zu absolvieren. Inhaltlich wird festgelegt, dass die "ärztliche Gesprächskompetenz" ein Ziel der Ausbildung ist.

Nachdem mit der Änderung der Approbationsordnung im Juli 2009 die Palliativmedizin als Querschnittsbereich aufgenommen wurde, soll jetzt die Schmerzmedizin ein eigener Bereich werden.

Nun heißt es Warten auf die Sitzungseröffnung durch Horst Seehofer. Doch egal, wie die Ländervertreter entscheiden, die Ergebnisse werden weitere Kontroversen auslösen.

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