Bahr pfeift Montgomery zurück

Hat sich die Bundesärztekammer zu früh gefreut? Die Öffnungsklausel in der GOÄ ist noch lange nicht vom Tisch, betont der Gesundheits­minister - und räumt damit die Äußerungen von BÄK-Präsident Montgomery ab.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
In Sachen Öffnungsklausel in der GOÄ nicht auf einer Wellenlänge: Gesundheitsminister Bahr (l.) und BÄK-Präsident Montgomery.

In Sachen Öffnungsklausel in der GOÄ nicht auf einer Wellenlänge: Gesundheitsminister Bahr (l.) und BÄK-Präsident Montgomery.

© Bodo Marks / dpa

BERLIN. Optimistisch blickt der NAV-Virchow-Bund in die Zukunft der GOÄ-Verhandlungen.

Die Einigung von Bundesärztekammer (BÄK) und dem Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) auf eine gemeinsame betriebswirtschaftliche Basis und Qualitätskriterien für eine neue Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) ohne Öffnungsklausel, sei ein Fortschritt, heißt es in einer Pressemitteilung.

"Jetzt sind die größten Steine aus dem Weg geräumt. Einer neuen Gebührenordnung noch in dieser Legislaturperiode steht nichts mehr im Weg", wird darin der NAV-Bundesvorsitzende Dr. Dirk Heinrich zitiert.

"Bahr muss GOÄ-Reform zur Chefsache machen"

Heinrich fordert den Gesundheitsminister auf zu handeln. "Der Ball liegt im Feld des Gesundheitsministeriums. Minister Bahr muss die Reform der GOÄ zur Chefsache machen."

Doch eben der hat einen ganz anderen Blick auf die Verhandlungen. "Die Äußerungen von Montgomery, die Öffnungsklausel sei vom Tisch sind nicht zutreffend", sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums der "Ärzte Zeitung".

Eine Entscheidung über eine Öffnungsklausel beziehungsweise Vertragskompetenz der PKV sei "nachgelagert". Darüber werde nicht am Beginn oder im Verlauf der Verhandlungen entschieden, sondern ganz am Schluss.

Für den Gesundheitsminister sieht die Agenda so aus: Zunächst müssten Bundesärztekammer und die Privatversicherer ein Ergebnis vorlegen, das das Ministerium prüfen könne. Danach entscheide das Ministerium, ob es einer Öffnungsklausel beziehungsweise Vertragskompetenz für die PKV zustimmen könne, oder nicht.

"Das hängt von der Grundkonzeption des Verhandlungsergebnisses ab, heißt es im BMG.

Fast den Rang eines Menschenrechts

Bis es soweit kommt, kann es noch dauern. Der Präsident der BÄK, Dr. Frank Ulrich Montgomery, rechnet vor den Bundestagswahlen 2013 nicht mehr mit dem fertigen Werk, höchstens mit einem gemeinsamen Entwurf.

Für die Vertreter der PKV hat eine Vertragskompetenz fast den Rang eines Menschenrechts. Die soll die Privatversicherer in die Lage versetzen, mit einzelnen Versorgern eigene Verträge abzuschließen.

So wollen sie Einfluss auf Qualität, Stichwort Mehrfachuntersuchungen, und Preise gewinnen. Unter die betriebswirtschaftliche Basis solle die Vergütung jedoch nicht fallen.

Das beruhigt die Ärzte nicht. Sie befürchten, dass eine Öffnungsklausel oder Vertragskompetenz die vereinbarte betriebswirtschaftliche Basis sofort wieder unter Druck setzen könnte.

Vielleicht handelt es sich dabei auch nur um ein Missverständnis. Die privaten Versicherer haben angekündigt, den negativ besetzten Begriff "Öffnungsklausel" nicht mehr zu verwenden.

An seine Stelle sei die Vokabel "Vertragskompetenz" getreten. Die meine kein Preisdumping, sondern zum Beispiel gute ärztliche Qualität auch außerhalb der GOÄ besonders vergüten zu dürfen.

Die Einigung auf die betriebswirtschaftlich kalkulierte Basis ist eines der wenigen Ergebnisse aus den Verhandlungen, das bislang nach draußen gedrungen ist.

Möglicherweise sieht das Werk vor, die sprechende Medizin stärker zu gewichten als technische Leistungen. So beschrieb zumindest PKV-Verbandsdirektor Dr. Volker Leienbach die Erwartungen der PKV.

Sowohl BÄK-Präsident Montgomery als auch Gesundheitsminister Bahr sprechen auf dem Ärztetag in Nürnberg. Die Zuhörer erwarten Erklärungen, was die neue GOÄ für sie bedeuten könnte.

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