Köhler dreht den Spieß um: Schulnoten für Kassen

Angriffslustiger KBV-Chef: Dr. Andreas Köhler giftet auf der Vertreterversammlung gegen die Krankenkassen und kündigt eine schärfere Gangart an. Eine Maßnahme: Ärzte sollen die Leistungen der Kassen benoten.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Im Clinch mit Kassen über mehr Ärzte- und Honorarbedarf: KBV-Chef Dr. Andreas Köhler gestern bei der Vertreterversammlung in Nürnberg.

Im Clinch mit Kassen über mehr Ärzte- und Honorarbedarf: KBV-Chef Dr. Andreas Köhler gestern bei der Vertreterversammlung in Nürnberg.

© Warwata

NÜRNBERG. Der KBV-Vorsitzende Dr. Andreas Köhler hat am Montag bei der Vertreterversammlung in Nürnberg die gesetzlichen Krankenkassen dazu aufgefordert, ihre Aufgabe bei der medizinischen Versorgung Kranker zu erfüllen und dabei die Arbeit der Vertragsärzte zu erleichtern.

Der KBV Chef warf dabei den Krankenkassen vor, die Morbiditätsentwicklung durch zu grobe Daten kleinzurechnen und den Ärzten Honorar vorzuenthalten.

Die Reaktionen von Kassen und Teilen der Politik auf die Präventionsstrategie der Bundesregierung, bei der die Ärzte eine wichtige Rolle spielen sollen, wertete Köhler als "Beißreflex". Von Kassen war kritisiert worden, dass die Vermittlung von Präventionsangeboten den Ärzten honoriert werden soll.

Kassenmonitor der Ärzte angekündigt

Als Antwort auf solche Attacken und auch auf die verschiedenen Arzt-Navigatoren der Krankenkassen kündigte Köhler einen Kassenmonitor der Ärzte an, der im vierten Quartal 2012 online gehen soll.

Themenfelder zur Bewertung können laut Köhler sein: Therapiefreiheit, Regresse, Bürokratie, Selektivverträge und Information. Ärzte sollen dazu kassenbezogen Schulnoten vergeben, die zu einer Gesamtnote hochgerechnet und dann als Krankenkassen-Ranking publiziert werden soll.

Die Attacke Köhlers gegen die Kassen ist nicht zuletzt Ausdruck eines sich anbahnenden heftigen Konflikts um die künftige Bedarfsplanung, die Morbiditätsentwicklung und die Honoraransprüche der KBV.

So geht die KBV davon aus, dass schon derzeit rund 6000 Ärzte und Psychotherapeuten fehlen. Die Kassen sehen aktuell keinen zusätzlichen Bedarf und stehen auf dem Standpunkt, Ärzte seien lediglich regional falsch verteilt. Die KBV sei bereit, den Kassen durch Übergangsregelungen entgegenzukommen.

750 Millionen Euro mehr für ärztliche Vergütung gefordert

Weiterer Streitpunkt: Das Institut des Bewertungsausschusses klagt laut Köhler über schlechte Qualität der Daten, die die Krankenkassen über die Morbiditätsentwicklung liefern sollen.

Diese werden in einem Patientenklassifikationssystem abgebildet, dessen Güte wiederum von der Differenziertheit der Morbiditäten abhänge.

Diese Differenzierung versuchten die Kassen mit "drakonischen Mitteln" (Köhler) einzuschränken. In diesem Jahr versuchten die Kassen sogar in Frage zu stellen, dass ein Mensch gleichzeitig mehrere Krankheiten haben könne.

Allein aufgrund der Morbiditätsentwicklung benötigten die Vertragsärzte jährlich eine Vergütungserhöhung von 750 Millionen Euro.

In die nächste Verhandlungsrunde geht Köhler mit einer zusätzlichen Forderung von drei Milliarden Euro, unter anderem auch deshalb, weil es für die Vertragsärzte seit Anfang der 90er Jahre keinen Inflationsausgleich mehr gegeben hat.

KBV: Obligatorische Weiterbildung in der ambulanten Versorgung notwendig

Im Vorfeld des am Dienstag in Nürnberg beginnenden Ärztetages - er wird sich auch mit kooperativen Versorgungsstrukturen und der Weiterbildungsordnung befassen - hat die KBV eigene Positionen eingebracht. Sie spricht sich dafür aus, die Pflichtweiterbildung für bestimmte Fachgruppen in der ambulanten Praxis auszubauen.

Köhler begründet dies mit dem medizinischen Fortschritt, aufgrund dessen Leistungen von der Klinik in die ambulante Medizin verlagert worden sind. Hier seien obligatorische Weiterbildungsanteile in der ambulanten Versorgung notwendig.

Dazu müssen allerdings auch genügend Weiterbildungsstellen in der haus- und fachärztlichen Versorgung geschaffen werden. Kammern und KVen müssten weitere Koordinierungsstellen für die Weiterbildung des ärztlichen Nachwuchses einrichten.

Praxen und MVZ, die Weiterbildungsstellen schaffen, benötigten, so Köhler, die dazu erforderlichen Mittel. Entsprechend müsse die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung erhöht werden.

Stärkere Weiterbildungsanteile in der ambulanten Medizin sieht Köhler als Option, junge Ärzte an den die vertragsärztliche Versorgung heranzuführen.

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