Diskriminiert KV Bayerns die MVZ-Ärzte?

Der Streit um die Plausibilitätskontrollen in Medizinischen Versorgungszentren köchelt weiter. Der MVZ-Bundesverband sieht eine Diskriminierung angestellter Ärzte und hat jetzt ein Positionspapier vorgelegt.

Von Jürgen Stoschek Veröffentlicht:
Bei jeder Behandlung tickt die Uhr für die Zeitprofile.

Bei jeder Behandlung tickt die Uhr für die Zeitprofile.

© Klaus Eppele / fotolia.com

MÜNCHEN. 520 statt 780 Stunden Arbeitszeit im Quartal - ist das arbeitnehmerfreundlich oder nur der Versuch, bestimmten Niederlassungsformen das Honorar abzugraben?

Der Bundesverband Medizinische Versorgungszentren (BMVZ) wirft der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) vor, angestellte Ärzte und Einrichtungen, die angestellte Ärzte beschäftigen, zu diskriminieren: Durch die Verkürzung des Aufgreifkriteriums in der Plausibilitätskontrolle bei angestellten Ärzten würden ärztliche Kooperationen massiv benachteiligt und mit Regress bedroht, kritisiert der BMVZ.

Zugleich verlangt der Bundesverband, dass die KVB bei Medizinischen Versorgungszentren, denen als Folge der Änderungen bei der Plausibilitätskontrolle jetzt ein Regress droht, auf zusätzliche und überhöhte Bürgschaften verzichtet.

Hintergrund der Auseinandersetzung ist die Anwendung unterschiedlicher Zeitkontingente bei der Plausibilitätsprüfung durch die KVB bei angestellten und freiberuflichen Ärzten.

Während bei freiberuflichen Ärzten 60 Wochenstunden oder 780 Stunden im Quartal als Aufgreifkriterium für eine Plausibilitätsprüfung zugrunde gelegt werden, sind angestellte Ärzte auf zwei Drittel der Zeiten, also auf 40 Wochenstunden oder 520 Stunden im Quartal begrenzt.

BMVZ: Angestellte Ärzte haben höheren Anteil an Patientenzeit

Eine solche Verkürzung des Aufgreifkriteriums in der Plausibilitätskontrolle, die bislang bundesweit nur von der KVB so praktiziert werde, stelle eine "unzulässige und nicht hinnehmbare Benachteiligung und Diskriminierung kooperativer Gemeinschaften mit angestellten Ärzten" dar, kritisiert der BMVZ.

"Der allgemeine Grundsatz der Gleichbehandlung wird damit verletzt", heißt es in einem aktuellen Argumentationspapier des Bundesverbandes.

Nach Auffassung des BMVZ dürfen die normativ festgesetzten Prüfzeiten und die tatsächlichen Arbeitszeiten nicht einfach gleichgesetzt werden. Hinsichtlich Effizienz und Leistungsdichte, Arbeitstempo und Patientenklientel gebe es in den Praxen eine enorme Streubreite.

Das gelte auch für angestellte Ärzte, von denen viele gerade diese Art der Tätigkeit gewählt haben, um sich auf das rein Medizinische konzentrieren zu können und von Verwaltung und Bürokratie weitestmöglich entlastet zu werden.

Die 40-Stunden-Woche eines angestellten Arztes habe daher in der Regel einen spürbar höheren Anteil an Patientenzeit, als die 60-Stunden-Woche eines freiberuflich tätigen Kollegen, so die Argumentation des BMVZ.

Hinzu komme, dass auch angestellte Ärzte in einer gut organisierten Praxis, die sich auf besondere Leistungen spezialisiert haben, diese Leistungen überdurchschnittlich häufig und ohne Abstriche bei der Qualität in aller Regel auch besonders zeiteffizient erbringen.

Dies sei nicht ungewöhnlich und "schon gar nicht ein Grund, automatisch eine fehlerhafte und falsche Abrechnung zu vermuten", so der BMVZ.

Praktiziert Bayern eine "kreative Rechtsauslegung"?

Tatsächlich wende die KVB im Zuge "kreativer Rechtsauslegung", so der BMVZ, inzwischen mit vierjähriger Prüfrückwirkung bis zum Jahr 2008 für angestellte Ärzte andere Aufgreifkriterien bei der Plausibilitätsprüfung nach Zeitprofilen an als für niedergelassene Ärzte.

Darüber hinaus verlange die KVB von der Mehrzahl der Medizinischen Versorgungszentren zur Deckung eventueller Regressforderungen zusätzliche Bankbürgschaften.

So würden konkret von MVZ, die nicht ausschließlich natürlichen Personen gehören, bei denen also beispielsweise ein Krankenhaus Träger ist, eine weitere Sicherung in fünffacher Höhe der monatlichen Abschlagzahlung gefordert, die die KV normalerweise an das jeweilige MVZ leistet.

Nach Auffassung des BMVZ ist das Vorgehen der KVB "inhaltlich und rechtlich ausgesprochen fragwürdig". Durch einen fehlerhaften Analogieschluss habe die KVB die Plausibilitätskriterien zulasten angestellter Ärzte verschärft und die Regressgefahr erhöht.

Zugleich verlange die KVB von den Arbeitgebern dieser Ärzte zusätzliche Sicherungen, um bei den mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Regressen besonders schnell auf die Gelder zugreifen zu können.

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