Gastbeitrag

Das Ende der Geheimniskrämerei

Die Aufteilung der Gesamtvergütung auf Haus- und Fachärzte durch die KVen war bisher ein gut gehütetes Geheimnis. Das dürfte sich jetzt allerdings ändern - dank einer Angiologin.

Von Ingo Pflugmacher Veröffentlicht:
Honorarbescheide sind bis dato schwer überprüfbar.

Honorarbescheide sind bis dato schwer überprüfbar.

© CONSTANT44/fotolia.com

BONN. Welcher Vertragsarzt hat sich im Stillen nicht schon einmal gefragt, wie in seiner Kassenärztlichen Vereinigung (KV) eigentlich die Aufteilung der Gesamtvergütung auf Hausärzte und Fachärzte, die Aufteilung der Vergütungsbestandteile in einzelne Facharztgruppen sowie die Ermittlung der für das RLV-System maßgeblichen Fallwerte stattfindet?

Die KVen verweisen bei solchen Fragen häufig auf die Beschlüsse des Bewertungsausschusses, die allerdings nur abstrakte mathematische Formeln beinhalten.

Um die Berechnung der Fallwerte und auch der durchschnittlichen Fallzahlen der Arztgruppe nachzuvollziehen, benötigt man aber die konkreten, quartalsbezogenen Angaben über die Anzahl der Ärzte der Fachgruppe und deren Leistungsbedarf.

Einige KVen sind mit diesen Daten bisher wie mit geheimem Hoheitswissen umgegangen. Dem macht das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf nun ein Ende.

Internistin verlangte Einblick in das Zahlenwerk ihrer KV

Eine Fachärztin für Innere Medizin-Angiologie wollte im Zusammenhang mit ihrem Widerspruch gegen ihre Honorarbescheide wissen, wie viele Ärzte in den unterschiedlichen Quartalen jeweils dem Honorartopf "Angiologie" zugeordnet waren und wie viele Leistungen diese erbrachten.

Die KV erklärte hierauf, sie halte dieses Zahlenmaterial für die Begründung des Widerspruches nicht für sachdienlich. Außerdem müsste sie die erbetenen Informationen erst zusammenstellen, wozu sie nicht verpflichtet sei.

Die Angiologin verklagte daraufhin die KV vor dem Verwaltungsgericht auf Erteilung der erbetenen Auskünfte. Sie begründete ihren Auskunftsanspruch nämlich nicht mit sozialrechtlichen Normen, sondern mit ihren Rechten aus dem Informationsfreiheitsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen.

Hiernach hat jede natürliche Person gegenüber öffentlichen Stellen, wozu die KV gehört, Anspruch auf Zugang zu den dort vorhandenen amtlichen Informationen.

Die beklagte KV versuchte zunächst, die Zulässigkeit des verwaltungsgerichtlichen Rechtsweges zu rügen, um zum Sozialgericht zu gelangen.

Dieser Versuch war aus Sicht der KV verständlich, da die Sozialgerichtsbarkeit solchen Auskunftsansprüchen bisher eher kritisch gegenübersteht.

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf wies die Zuständigkeitsrüge der KV zunächst mit Beschluss vom 19.09.2011 (26 K 1653/11) zurück, gab dann aber mit Urteil vom 14.02.2012 dem Auskunftsersuchen der Ärztin vollumfänglich statt.

Urteil kann Akzeptanz der Honorarverteilung stärken

Das Verwaltungsgericht stellte zunächst zutreffend fest, dass alle erbetenen Daten der KV vorliegen und wies den Einwand der KV zurück, die Ärztin könne im Widerspruchs- oder Klageverfahren gegen ihren Honorarbescheid Akteneinsicht beantragen.

Der Anspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz werde durch eine ebenfalls mögliche Akteneinsicht nicht eingeschränkt.

Diese Argumentation des Gerichts ist von erheblicher Bedeutung, da sich aus den Verwaltungsakten zu einzelnen Honorarbescheiden nicht die gewünschten Infos zu Arztzahlentwicklung und Leistungsanforderungen der Fachgruppe ergeben.

Schließlich stellt das VG fest, dass durch die Erteilung der erbetenen Auskunft weder Betriebs- noch Geschäftsgeheimnisse der Kassenärztlichen Vereinigung berührt werden und dass ein durch die Zusammenstellung der Daten entstehender Aufwand kein Grund sei, gesetzliche Informationsrechte einzuschränken.

Dieses Urteil für Vertragsärzte und ihre Verbände relevant. In letzter Konsequenz kann diese Entscheidung die Akzeptanz der innerärztlichen Honorarverteilung erheblich stärken oder auch erschüttern.Transparenz schafft nämlich Vertrauen, Intransparenz Misstrauen.

Wenn die Vertragsärzte alle für die Honorarverteilung im jeweiligen Quartal maßgeblichen Daten kennen, können sie prüfen, dass die KV die Honorarverteilungsmaßstäbe richtig angewandt hat.

Der häufig mit nachvollziehbarem Misstrauen zu hörende Satz, die Honorarverteilung sei für niemanden nachvollziehbar, kann dann nicht mehr geäußert werden.

KVen in elf Bundesländern betroffen

Wenn aber bei einer solchen Prüfung festgestellt wird, dass Regelungen nicht richtig umgesetzt wurden, was jeder KV einmal passieren kann, so bietet diese Erkenntnis die Möglichkeit zu schnellstmöglicher Korrektur.

Dass erhöhte Transparenz erhöhten Aufwand bedeuten kann, ist angesichts der Vorteile einer umfassenden Information der Vertragsärzte nachrangig, zumal die KV berechtigt ist, Gebühren für die Auskunftserteilung zu verlangen.

In elf Bundesländern existieren Informationsfreiheitsgesetze. Dort muss die bisherige "Black Box" der Arztzahlentwicklung, der Zuordnung der Ärzte zu den einzelnen Honorargruppen und die Leistungs- und Fallentwicklung innerhalb dieser Gruppen kein Geheimnis bleiben.

Der freie Zugang zu staatlichen Informationen ist ein wesentlicher Aspekt einer modernen Demokratie. Die EU-Kommission plant derzeit sogar die Einrichtung eines europaweiten Portals, über das Informationen der regionalen und nationalen Verwaltungen der EU-Staaten zugänglich sind.

Was europaweit möglich ist, sollte erst recht innerhalb einer Kassenärztlichen Vereinigung umsetzbar sein. Nach dem Urteil des VG Düsseldorf gilt: "Transparenz und Waffengleichheit" statt "Wissen ist Macht".

Zur Person: Dr. Ingo Pflugmacher ist Fachanwalt für Medizin- und Verwaltungsrecht und Partner der Anwaltskanzlei Busse & Miessen in Bonn.

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