Personalisierte Medizin

Eine Chance für Patienten

Personalisierte Medizin schafft neue Behandlungsmöglichkeiten für Patienten. Daher muss sich das deutsche Gesundheitswesen darauf einstellen - fordern Experten und Politikern.

Angela MisslbeckVon Angela Misslbeck und Wolfgang van den BerghWolfgang van den Bergh Veröffentlicht:
Mit Hochdruck wird in den Laboren beispielsweise an neuen diagnostischen Verfahren zur personalisierten Medizin geforscht.

Mit Hochdruck wird in den Laboren beispielsweise an neuen diagnostischen Verfahren zur personalisierten Medizin geforscht.

© NiDerLander / fotolia.com

BERLIN. Personalisierte Medizin braucht andere Bewertungsregularien als herkömmliche Medikamente, damit ihr Zusatznutzen im Rahmen der Nutzenbewertung festgestellt werden kann. Das gilt insbesondere dann, wenn Therapeutika und Diagnostika kombiniert sind.

Diese Auffassung vertrat der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) Josef Hecken beim Cognomed Branchentreff Personalisierte Medizin in Berlin. Er sprach sich dafür aus, für diese Kombiprodukte ähnliche Verfahren wie für Orphan Drugs gegen seltene Erkrankungen anzuwenden.

Für Nischenprodukte aus kleinen und mittleren Unternehmen käme nach Auffassung des GBA-Chefs künftig im Vorfeld der Nutzenbewertung eine Förderung der Studienkosten aus einem Innovationsfonds infrage. "Damit wollen wir vermeiden, dass gerade die kleinen und mittleren Unternehmen am Ende mit einer Superidee auf den Konkurs zugehen", sagte Hecken.

Eindeutig negativ bewertet Hecken jedoch allgemein prädiktive Gentests. Die Nachteile seien wesentlich größer als die Vorteile, sagte der GBA-Chef. Er hält solche Tests aus ethischen Gründen für sehr problematisch. Hecken wies darauf hin, dass die Genominformationen nur sehr geringe Aussagekraft über das Erkrankungsrisiko beispielsweise bei Typ-2-Diabetikern hätten.

Meilenstein der Medizin

Eine überraschend positive Einstellung zur personalisierten Medizin zeigte Professor Axel Heyll vom Kompetenz Centrum Onkologie der Medizinischen Dienste in Düsseldorf.

Die Entwicklung sei geeignet, Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung zu verbessern. Bedingung sei aber, dass Merkmale identifiziert werden, die eine evidenzbasierte Therapiestratifikation ermöglichen.

Explizit nannte er molekulare Marker, Bildgebung wie die PET und klinische Merkmale. Bereits vorhandene Erkenntnisse, die eine evidenzbasierte Therapiestratifikation ermöglichen, müssten konsequent für die Versorgung genutzt werden und außerhalb klinischer Studien sollte auf Behandlungen ohne gesicherten Nutzenbeleg verzichtet werden.

CDU-Gesundheitsexperte Rolf Koschorrek betrachtet die personalisierte Medizin als Meilenstein der Medizin. Gentests werden aus seiner Sicht immer selbstverständlicher. Sie würden für viele Patienten aus medizinischen Gründen unverzichtbar.

Koschorrek forderte deshalb, dass flächendeckend und bundesweit in zentralen Krankenhäusern die Möglichkeiten für eine DNA-basierte Diagnose und Therapie geschaffen werden. Zudem müsse die neue Thematik in die Ausbildung der Mediziner und Pharmazeuten Eingang finden.

Individualisierte Therapie kann Überlebenszeit von Tumorpatienten verlängern

Wie sehr die Vorstellungen zwischen Wunsch und Wirklichkeit noch auseinanderdriften, zeigten die Wissenschaftler beim Branchentreff. Professor Wolf-Dieter Ludwig warnte vor überzogenen Erwartungen einer personalisierten Medizin.

Der Chef der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft räumte zwar große Fortschritte in der molekularbiologischen Forschung ein, hinterfragte aber die These, daraus immer gezielte Erkenntnisse für die Therapie ableiten zu können. Damit spielte Ludwig etwa auf die Heterogenität und Mutation von Tumoren an.

Eine Analyse, der auch Professor Ulrich Keilholz vom Charité Comprehensive Cancer Center in Berlin folgen wollte. Er hatte ausgeführt, dass etwa eine Chemotherapie mit einer sich anschließenden zielgerichteten Medikation nicht zwangsläufig zu einem Erfolg führen muss.

Er warb für eine klare Zieldefinition in Verbindung mit einer besseren Diagnostik.

Sein Kollegen Professor Michael Hallek aus Köln vom Zentrum für integrierte Onkologie in Köln ließ keinen Zweifel daran, dass eine individualisierte Therapie die Überlebenszeit von Tumorpatienten verlängern kann.

Je mehr Informationen, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, hier Fortschritte zu erzielen. Sein Zentrum arbeitet intensiv mit Kliniken in Nordrhein zusammen.

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