"Jetzt geht's los"

Ärzte wollen Kassen sticheln

Die erste Protestwelle der Ärzte beginnt: Formulare und Bonushefte sollen nicht mehr ausgefüllt werden. Und das dürfte nur der Anfang sein.

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Kein Bock auf Kasse: Der Protest der Ärzte beginnt.

Kein Bock auf Kasse: Der Protest der Ärzte beginnt.

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BERLIN (af/sun/di). Die Ärzte setzen erste Nadelstiche. Die Vorstände aller Kassenärztlichen Vereinigungen und der KBV haben sich einstimmig auf Protestaktionen im Honorarstreit geeinigt.

In einem Schreiben an alle Vertragsärzte und -psychotherapeuten schlagen die Verbandsspitzen vor, ab Montag keine formlosen Kassenanfragen mehr schriftlich zu beantworten.

Weiter sollen Telefongespräche mit Kassenmitarbeitern nur noch vormittags vor acht Uhr und abends ab 20 Uhr geführt werden. Zudem sollen Ärzte keine Bonushefte mehr ausfüllen.

Die Maßnahmen richteten sich gegen die Kassen und gingen nicht zu Lasten der Patienten, heißt es in dem Schreiben.

Der Vorsitzende des Hartmannbundes, Dr. Klaus Reinhardt, ergänzte, Anfragen, die Ansprüche von Patienten beträfen, sollten weiter bearbeitet werden.

Die bis Mittwoch laufende "Urabstimmung" in den Fachverbänden zeige aber schon jetzt die hohe Zustimmung der Ärzte, den Protest mit Leben zu erfüllen.

Kassen bei internen Abläufen treffen

"Ab Montag werden die Kassen unseren Unmut spüren", sagte KBV-Chef Dr. Andreas Köhler im Anschluss an das Treffen.

Bei den Kassen wurde Kritik an dem Protest laut: "Wenn die Ärzteverbände jetzt fordern, die Bonushefte der Patienten nicht mehr auszufüllen und wichtige telefonische Rückfragen der Kassen, zum Beispiel zu Kuren nicht mehr tagsüber zu beantworten, dann leiden darunter vor allem die Patienten", sagte der Sprecher des GKV-Spitzenverbandes, Florian Lanz, der "Ärzte Zeitung".

Es sei nicht gut, dass die Ärzteverbände die Patienten in ihren Kampf um eine weitere Honorarsteigerung mit hineinzögen. "Wir setzen weiter auf den vom Gesetzgeber vorgesehenen Verhandlungsweg", sagte Lanz.

"Die Proteste werden ein Instrument des Kassenschreckens," sagte der KBV-Sprecher Dr. Roland Stahl der "Ärzte Zeitung".

Ziel ist es, Leistungen zurückzufahren, die der Vereinfachung kasseninterner Abläufe dienen.

Nach der nächsten Verhandlung im Erweiterten Bewertungsausschuss werde sich zeigen, ob die Proteste völlig eskalieren, so Stahl.

Die Allianz freier Ärzteverbände hat am Donnerstagabend ebenfalls getagt. Zu den Ergebnissen wird eisern geschwiegen.

"Aus taktischen Gründen werden wir die konkreten Maßnahmen erst am Montag bekannt geben", sagte der Sprecher der Allianz, Dr. Dirk Heinrich. Heinrich steht der Allianz turnusgemäß vor.

KBV droht mit einer Eskalation der Proteste

"Die Verbände sind in ihrem Aktionsradius deutlich freier und flexibler als die Körperschaften der Kassenärztlichen Vereinigungen", sagte Heinrich. Die Verbände würden deren Aktionsvorschläge wirksam ergänzen.

Informationen der "Ärzte Zeitung" zufolge, dürften die Verbände ihren Mitgliedern am Montag per E-Mail und Fax vorschlagen, die von den Kassen geforderte Qualitätssicherung in den Praxen auszusetzen.

Vom Tisch scheint der Vorschlag aus der Ärzteallianz zu sein, über die Kodierung den Morbi-RSA und damit den Finanzausgleich der Kassen untereinander zu beeinflussen.

Dagegen ständen rechtliche Bedenken, hieß es aus Ärztekreisen. Es werde zudem befürchtet, dass sich die Ärzte damit "selbst ins Knie schießen" und finanzielle Einbußen erleiden könnten.

Der Hausärzteverband Schleswig-Holstein forderte seine Mitglieder in einem Schreiben auf, formlose Anfragen, vor allem zu Hilfsmittelverordnungen, mit dem Vermerk zurückzuschicken: "Bitte vereinbarte Formulare oder individuelle Anfrage durch den MDK".

Zudem sollten Ärzte keine Mitarbeiter von Krankenkassen mehr zur Besprechung von Kodierungsfragen empfangen. Faxanfragen der Kassen sollten nur per Post beantwortet werden.

Längerfristige Heilmittelverordnungen sollten als Langzeitverordnung beantragt werden. Bei Ablehnung sollen Ärzte Widerspruch einlegen.

Über weitere Aktionen will die KBV die Ärzte und Psychotherapeuten rechtzeitig informieren. Weitere Informationen gibt es ab nächster Woche auf www.kbv.de.

Die Website werde nächste Woche entstehen und dann nach und nach mit Inhalten gefüllt werden, so Stahl. Sämtliche regionalen Aktivitäten der KVen sollen darauf dargestellt werden.

Die KBV war im Erweiterten Bewertungsausschuss mit ihrer Forderung nach 3,5 Milliarden Euro mehr für 2013 nicht durchgekommen. Geben soll es 270 Millionen.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Die Anatomie des SpiBu

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