Hausärztetag

Allgemeinmedizin soll in Koalitionsvertrag

Die neue Regierungskoalition steht noch nicht, doch der Hausärteverband hat schon klare Wünsche an sie formuliert: Die Förderung der Weiterbildung Allgemeinmedizin sollte im künftigen Regierungsprogramm aufgenommen werden, hieß es auf dem Hausärztetag. Dort sorgten die EBM-Reform und Angriffe auf KBV-Vize Regina Feldmann für emotionale Debatten.

Von Rebecca Beerheide Veröffentlicht:
Es ist ein absolutes Armutszeugnis, dass nicht an jeder Fakultät ein Institut für Allgemeinmedizin besteht, findet Ulrich Weigeldt.

Es ist ein absolutes Armutszeugnis, dass nicht an jeder Fakultät ein Institut für Allgemeinmedizin besteht, findet Ulrich Weigeldt.

© Deutscher Hausärzteverband

BERLIN. Der Hausärzteverband will darauf einwirken, den Ausbau der Allgemeinmedizin an Universitäten und die Förderung der Weiterbildung Allgemeinmedizin in ein künftiges Regierungsprogramm aufzunehmen.

"Solch ein Satz im Koalitionsvertrag kann dafür sorgen, dass man es mit der Zeit nicht vergisst", sagte Ulrich Weigeldt, Vorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes, auf dem Hausärztetag in Berlin.

Vor den Delegierten sprach er sich dafür aus, den Gesundheitspolitikern für die künftige Legislaturperiode mit auf den Weg zu geben, den Wettbewerb im Gesundheitswesen gerechter zu gestalten, die Anpassung der GOÄ nun in Angriff zu nehmen sowie die weitere Wahlfreiheit zwischen Kollektiv- und Selektivverträgen für Patienten und Ärzte zu sichern. Ebenso forderte er ein Ende der Regresse für niedergelassene Ärzte.

Die hausärztliche Medizin solle schon an den Universitäten gestärkt werden. So müssten an allen 37 Medizinfakultäten jeweils vollwertige Institute für Allgemeinmedizin angesiedelt werden.

"Es ist ein absolutes Armutszeugnis, dass nicht an jeder Fakultät ein Institut für Allgemeinmedizin besteht", so Weigeldt.

Ebenso müsse ein Pflichtquartal in der Allgemeinmedizin im Praktischen Jahr (PJ) eingeführt werden - "auch wenn ich mir dafür Prügel der Medizinstudenten einhole", sagte Weigeldt.

Auch nach der universitären Ausbildung müsse die Finanzierung für die Weiterbildung gewährleistet sein. Es könne nicht sein, dass Fördergelder durch fachärztlich dominierte KVen nicht verteilt werden. "Junge Ärzte dürfen nicht auf dem halben Weg kehrt machen müssen."

Um Weiterbildungsverbünde zu unterstützen, habe der Hausärzteverband nun die Stiftung "Perspektive Hausarzt" gegründet, die ehemalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) habe bereits zugesagt, den Vorsitz des Beirates zu übernehmen, kündigte Weigeldt an.

Heftige Diskussionen über den EBM

Scharfe Kritik äußerte Weigeldt an dem Verhalten der KBV in Sachen EBM. "Das bürokratische System der KBV droht an der eigenen Verkrustung zu ersticken", so Weigeldt vor den Delegierten.

Auch beklagte er den Ausschluss der Hausärzte aus KBV-Gremien. "Die Abschottung der KBV von äußeren Einflüssen kennen wir ja schon beispielhaft durch die Besetzung der KBV-Gremien, wo systematisch darauf geachtet wird, Vertreter des Deutschen Hausärzteverbandes heraus zu säubern", so Weigeldt.

Er erneuerte die Kritik seines Verbandes an der Vergütungsreform, die sich seit der Frühjahrstagung des Verbandes in Wolfsburg nicht verändert habe. "Wir werden uns aber konstruktiven Maßnahmen nicht verschließen", sagte Weigeldt.

Allerdings warnte er davor, die Kritik am EBM nun nur an der Person der KBV-Vize Regina Feldmann fest zu machen.

Die Angriffe auf ihre Person seien am vergangenen Freitag in der nicht-öffentlichen KBV-Vertreterversammlung von den hausärztlichen KBV-Mitglieder abgewendet worden.

"Wenn jetzt der dritte hausärztliche Vorstand in sechs Jahren an der KBV-Spitze verschlissen wird, dann muss man fragen, ob es nicht an dem anderen Partner liegt", sagte Weigeldt.

Der Vorsitzende des Hausärzteverbandes unterstützte in der Diskussion der Delegierten die KBV-Vize Feldmann und forderte, dass die Mitglieder der KBV-Vertreterversammlung ebenfalls Verantwortung für das Debakel um den EBM übernehmen müssen.

Andere Delegierte des Hausärztetages berichteten in der emotionalen Diskussion von der schlechten Diskussionskultur in der KBV und bewerten das Verhalten dort als "Kriegserklärung an die Hausärzte" oder auch als "Schachspiel". Es dürfe nicht eine Person, sondern die KBV an sich angegriffen werden.

"Das Schlimmste verhindern"

Weigeldt appellierte an die eigenen Delegierten, die hausärztliche Positionen in der Selbstverwaltung stärker zu vertreten. Man brauche Kollegen, die in den Gremien "das Schlimmste verhindern".

Aber: "Wir fordern, dass die Kollegen auch zu ihrem Verband stehen. Der Hausärzteverband ist nicht die Schutztruppe für hausärztliche Funktionäre in den KVen."

Dem widersprachen die Delegierten. So sagte Hessens KV-Vize Günter Haas, er hätte sich mehr Absprachen mit dem Vorstand im Vorfeld von Sitzungen gewünscht.

Eine positive Bilanz zog Weigeldt über die derzeit laufende Hausarztzentrierte Versorgung. 16.000 Hausärzte nehmen bundesweit am Vertrag teil, es seien 3,1 Millionen Patienten in die Verträge eingeschrieben.

Insgesamt haben inzwischen über 4400 Medizinische Fachangestellte die Qualifizierung zur "VERAH" qualifiziert.

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