Pädiater klagen
Verkürzte Schulzeit führt zu verkürzten Muskeln
15 Forderungen an die neue Bundesregierung hat der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte gestellt. So wollen die Pädiater in der hausarztzentrierten Versorgung besser gestellt werden und einen stärker ausgebauten Öffentlichen Gesundheitsdienst.
Veröffentlicht:BAD ORB. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) hat am Montag zum Auftakt des Herbstkongresses in Bad Orb (Hessen) 15 Forderungen an die neue Bundesregierung gerichtet.
Ziel dabei ist es, die Kindergesundheit in Deutschland zu verbessern und zugleich den Status der Kinder- und Jugendärzte zu festigen.
Hierzu sollten Pädiater nach dem Willen von BVKJ-Präsident Dr. Wolfram Hartmann "hinsichtlich der Verträge zu einer hausarztzentrierten Versorgung nach Paragraf 73 SGB V möglichst rasch mit Allgemeinärzten gleichgestellt werden".
Bisher würden Pädiater lediglich 3,3 Prozent aller Honorare generieren, die aus Selektivverträgen zur Verfügung stünden.
Eine solche Ungleichbehandlung sei auch bei der Weiterbildung auszumachen, da Kinder- und Jugendärzte finanziell weit weniger gefördert würden als Allgemeinmediziner. Handlungsbedarf bestehe auch bei der Verordnung von Heil- und Arzneimitteln.
Die strikten Budgetreglungen für Pädiater müssten rasch gelockert werden, da ansonsten eine bestmögliche Arznei- und Heilmittelversorgung bei Kindern künftig kaum noch möglich sei, so Hartmann.
Kostenübernahme für OTC belastet arme Familien
Ungleichbehandlungen seien aber auch diejenigen Kinder ausgesetzt, die aus sozial benachteiligten Familien stammen, hieß es.
Um diese Kinder zu erreichen, müsse der kinder- und jugendmedizinische Dienst im Öffentlichen Gesundheitsdienst ausgebaut, aufsuchende Gesundheitsdienste etabliert und die gesundheitliche Betreuung in Kitas und Schulen deutlich intensiviert werden.
Zudem hält es Hartmann für nicht weiter hinnehmbar, dass auch sozial benachteiligte Familien in der Regel nach wie vor die Kosten für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel zwischen dem 12. und dem 18. Lebensjahr selbst zahlen müssten.
Angesichts der zunehmend finanziell prekären Situation vieler Kinderkliniken möchte der BVKJ die neue Bundesregierung verstärkt in die Pflicht nehmen.
So sollten auch in Zukunft möglichst wohnortnah Kinderkliniken oder Abteilungen für Kinder und Jugendliche erhalten bleiben.
Hartmann: "Mehr als maximal 45 Minuten Anfahrtszeit bis zur nächsten pädiatrischen Klinik darf man Eltern nicht zumuten."
Immer mehr "Wohlstandskrankheiten"
Professor Klaus-Michael Keller, Wissenschaftlicher Leiter des Herbstkongresses, sieht Handlungsbedarf auch mit Blick auf die hohe Beanspruchung vieler Kinder durch die Schule.
Keller: Die auf acht Jahre verkürzte Schulzeit im Gymnasium (G8) beanspruche viele Kinder derart, "dass ihnen vielfach Zeit und Muße fehlen, sich im Vereinssport zu betätigen."
Die daraus entstehenden "Wohlstandskrankheiten" wie Skelettverkrümmungen, Muskel- und Rückenleiden könnten nur durch ein mit allen Beteiligten abgestimmtes und politisch gestütztes Präventionsprogramm reduziert werden.
Dieses solle die neue Bundesregierung dringend anstoßen, so Keller.