Krankenhäuser

Montgomery erwartet Privatisierungswelle

Die Krankenhauslandschaft wird sich gravierend verändern, prophezeit BÄK-Chef Montgomery. Er erwartet weniger Klinik-Standorte, weitere Wege für Patienten und den Vormarsch privater Träger.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Notoperation: Die verarmte Stadt Offenbach musste 2013 ihr neues Klinikum an die private Sana verkaufen.

Notoperation: Die verarmte Stadt Offenbach musste 2013 ihr neues Klinikum an die private Sana verkaufen.

© Arne Dedert / dpa

NEU-ISENBURG. Einen gravierenden Umstrukturierungsprozess prognostiziert Professor Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, für die Krankenhausversorgung.

Zwar ermögliche der Strukturfonds von Bund und Ländern, der mit 500 Millionen Euro dotiert werden soll, kleineren und nicht mehr überlebensfähigen Krankenhäusern deren Umwidmung beispielsweise zu Pflegeeinrichtungen - langfristig werde es aber gravierendere Veränderungen geben, so Montgomery in einem Interview mit der "Rheinischen Post".

"Wir werden eine Konzentration von Leistungen in größeren Häusern erleben. Die Politik muss der Bevölkerung dann aber auch klar sagen, dass das auch mit weiteren Wegen verbunden ist."

Hälfte des Marktes in privater Hand?

Ferner rechnet Montgomery damit, dass es immer mehr private Träger geben wird. Die traditionelle Einteilung, dass nur zehn Prozent der Kliniken in privater Trägerschaft sind und der Rest freigemeinnützig oder kommunal ist, werde bald überholt sein.

Er rechne damit, dass private Träger eines Tages mehr als die Hälfte des Marktanteils erreichen könnten.

Gesundheitsökonomen wie Reinhard Busse, Professor an der Technischen Universität Berlin, geht dieser Prozess zu langsam vonstatten. In der Krankenhausstrukturreform , die soeben vom Gesetzgeber beschlossen worden ist, sieht er sogar ein Hemmnis.

Busse wie auch der Krankenhausexperte des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung, Boris Augurzky, kritisieren, dass es der Klinik-Lobby - allen voran der Deutschen Krankenhausgesellschaft - gelungen sei, in den letzten Beratungsrunden der Krankenhausreform Finanzspritzen loszueisen, die bislang wirtschaftlich gefährdete Krankenhäuser weiter überleben lassen könnte.

Auch bei den Krankenkassen existiert die Sorge, dass die Mittel des Strukturfonds zweckentfremdet werden könnten - und es nicht zu einem Selektionsprozess kommen wird.

Andererseits: Die Not der Krankenhäuser, insbesondere die von Auszehrung bedrohte pflegerische Versorgung ausreichend zu finanzieren, wird mit der Krankenhausreform kaum gelöst werden können. Insgesamt 660 Millionen Euro stehen dafür in drei Jahren bis Ende 2018 zur Verfügung.

Bei Personalkosten von 50.000 Euro pro Vollzeitpflegekraft könnten damit im Durchschnitt je Klinik zwei Pflegemitarbeiter finanziert werden, rechnet der Patientenbeauftragte der Regierung, Karl-Josef Laumann, in der "Welt am Sonntag" vor. Im Durchschnitt beschäftigen Kliniken etwa 160 Pflegekräfte.

Potenzial ambulanter Versorgung

Angesichts der Überlastung von Krankenhäusern erneuerte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Andreas Gassen, seine Kritik an der Klinikreform und der mit ihr verbundenen Geldinfusion in den stationären Sektor.

"Der bessere Weg wäre es, das Potenzial der ambulanten Versorgung zur fördern."

Nach Berechnungen des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung könnten 3,7 Millionen Krankenhausfälle in die ambulante Versorgung verlagert werden, das ist in etwa jeder fünfte Klinikfall.

Allerdings plädiert auch Gassen für eine engere Zusammenarbeit von Kliniken und niedergelassenen Ärzten.

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