Schleswig-Holstein

Hausarzt in der Nähe - Abschied vom Kirchturm nötig

Erfolgversprechende Wege, um eine wohnortnahe hausärztliche Versorgung zu erhalten: Das klappt nur, wenn Politiker über ihren Sprengel hinausdenken.

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BAD SEGEBERG. 166 Hausärzte an 97 Standorten sind für die Einwohner des Kreises Segeberg mit dem Auto gut erreichbar. Nur in zwei Regionen des Kreises braucht man dafür mit dem Auto länger als zehn Minuten.

Und selbst der Wegfall von Standorten würde die Gesamtversorgungssituation im Kreis nicht nennenswert beeinträchtigen - Bedingungen, für die ihn manch andere Region in Deutschland beneidet.

Das weiß auch Segebergs Landrat Jan Peter Schröder, der zuvor beim Landkreistag Mecklenburg-Vorpommern deutlich schlechtere Rahmenbedingungen für die ärztliche Versorgung kennengelernt hatte.

Zurücklehnen sollten sich die Bürgermeister und anderen kommunalen Entscheidungsträger in seinem Kreis dennoch nicht, empfahl der Landrat bei einer Veranstaltung über die Perspektiven der hausärztlichen Versorgung.

Bürgermeister sensibilisieren

Frühzeitig informieren, Akteure zusammenbringen und die Bürgermeister für das Thema sensibilisieren: Mit dieser Marschroute will der gut versorgte Kreis seine hausärztliche Versorgung auch künftig sichern.

Dabei sind manche Orte vom Glück verfolgt. Kleine Gemeinden wie Hartenholm und Stocksee etwa, wo seit Jahrzehnten Einzelkämpfer hausärztlich tätig sind - eigentlich ein Schreckgespenst für junge Ärzte.

Beide Ärzte berichteten auf der Veranstaltung, dass in einigen Jahren voraussichtlich ihre Töchter die Praxen fortführen werden. Unterzentren wie Trappenkamp bekommen sogar neue Fachärzte hinzu und haben Hausärzte wie Christian Kraus, die im Team arbeiten und Versorgungsassistentinnen zu ihren Patienten schicken.

Doch Kraus machte den Bürgermeistern genauso wie Dr. Thomas Maurer deutlich, dass jede Praxis auch wirtschaftlich arbeiten muss. Maurer, Landesvorsitzender des Hausärzteverbandes im Norden, gab 800 bis 1000 Scheine pro Quartal als Richtschnur vor, damit sich eine Hausarztpraxis trägt.

Dafür seien aber deutlich mehr Einwohner erforderlich. "Bei weniger als 2500 Einwohnern brauchen Sie also gar nicht erst anfangen, über die Ansiedlung einer Hausarztpraxis nachzudenken", so Maurer.

Es sei denn, die Bürgermeister beenden ihre Kirchturmpolitik und kooperieren in Sachen Ansiedlungen, wie es Kraus ihnen empfahl.

600 Scheine reichten nicht aus

Kraus und Maurer haben beide Erfahrungen mit dem Betrieb eines kleinen Ärztezentrums, das von einem kleinen zentralen Ort aus gesteuert wird und eine Zweigpraxis unterhält.

Während dieses Modell von Maurer in Nordfriesland rentabel arbeitet, musste Kraus die Zweigstelle im Nachbarort Rickling aus wirtschaftlichen Gründen schließen. 600 Scheine reichten nicht aus, um Praxiskosten inklusive Gehalt des angestellten Arztes zu decken.

Vor der Schließung führte Kraus Gespräche mit Kommunalpolitikern, traf aber auf Unverständnis. Der Bürgermeister des betroffenen Ortes hielt in der Veranstaltung dagegen: Die Mittel der Kommunen für eine Unterstützung solcher Praxen seien oft nicht vorhanden. Und er wagte die These: "Wer als Arzt Leistung zeigt, wird auch genügend Patienten haben."

Maurer hält kleine Ärztezentren mit Zweigpraxen in einer Entfernung von bis zu 30 Kilometern für eine Lösung. Dafür seien aber mindestens drei Ärzte im Zentrum erforderlich. Kommunale Eigeneinrichtungen wie in Büsum sieht er nur in Einzelfällen als Lösung an, "reisende Ärzte" etwa in einem "Docmobil" lehnt er ab.

Bianca Hartz von der KV Schleswig-Holstein sieht in hausärztlichen Zentren ebenfalls eine gute Lösung, "idealerweise in Trägerschaft von Ärzten", wie sie betonte. Dass der ausrichtende Kreis sich mit dem Thema auseinandersetzt, begrüßte sie - betonte aber auch: "Der Kreis Segeberg ist bestimmt kein Brennpunkt." (di)

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