Sprachzertifikate

"Ausländische Ärzte überschätzen Fähigkeiten"

Für viele ausländische Ärzte ist Deutsch die Dritt- oder Viertsprache. Mit ihren Sprachzertifikaten gehen sie in die Fachsprachenprüfung - und fallen im ersten Anlauf häufig durch.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Sinn im Buchstabensalat finden: Für ausländische Ärzte ist das oft ein harter Weg.

Sinn im Buchstabensalat finden: Für ausländische Ärzte ist das oft ein harter Weg.

© Yantra / fotolia.com

HERNE. Zumindest im ersten Anlauf scheitern viele ausländische Ärzte bei der obligatorischen Fachsprachenprüfung. Ein Grund dafür ist, dass die erworbenen Sprachzertifikate die tatsächliche Sprachkompetenz nur unzureichend widerspiegeln.

Diese Erfahrung hat Jürgen Herdt gemacht, Leiter der Stabsstelle für Planung und Entwicklung der Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL).

"Wenn sich die Qualität der Zertifikate nicht ändert, kommen wir nicht weiter", sagte Herdt auf der Fachtagung "2 Jahre neue ärztliche Berufszulassungsregelung - Kenntnis- und Fachsprachenprüfung in Nordrhein-Westfalen" in Herne.

Anfang 2015 sei das Erstaunen groß gewesen, als bekannt wurde, dass rund ein Drittel der ausländischen Ärzte die Fachsprachenprüfung nicht schafft.

"Mittlerweile fallen leicht über 40 Prozent durch", berichtete er. Diese hohe Quote betreffe aber nur den ersten Versuch. Die Ärzte können die Prüfung wiederholen. Nach einem Jahr haben bis auf drei Prozent alle die Hürde genommen.

"Großer Erfahrungsschatz"

Die Ärztekammern sind in Nordrhein-Westfalen seit 1. Januar 2014 für die Fachsprachenprüfungen zuständig. Bis Ende 2015 hatte allein die ÄKWL 1794 Prüfungen abgenommen, zurzeit sind es rund 30 pro Monat. "Wir haben inzwischen einen großen Erfahrungsschatz", sagte Herdt.

Häufig nähmen sich die ausländischen Ärzte nicht genug Zeit für die Vorbereitung der Prüfung. Für viele Ärzte sei Deutsch nicht die Zweitsprache, sondern häufig die Dritt- oder Viertsprache, zum Teil sogar die Fünftsprache.

Herdt skizzierte einen weiteren Faktor: In einzelnen Kliniken gerade in ländlichen Regionen arbeiten inzwischen überwiegend zugewanderte Mediziner.

"Es gibt nicht mehr ausreichend Sprachvorbilder", sagte er. Durch den Erwerb des Sprachzertifikats des Niveaus B2 hätten die ausländischen Ärzte häufig nicht die erforderliche Qualifikation, würden aber ihre Sprachkompetenz durch das Zertifikat überschätzen.

Sprachunterricht: lukrativer Markt

Die Vermittlung von Deutschkenntnissen an ausländische Ärzte sei ein lukrativer Markt geworden, der viele Bildungsinstitute anzieht, sagte Dr. Patrick Boldt, Referent für Weiterbildungsentwicklung bei der Ärztekammer Nordrhein.

"Viele Institute spiegeln nur vor, irgendwelche Serviceleistungen zu erbringen." Es sei die Frage, ob man auf Dauer nicht eine Einschätzung der einzelnen Anbieter veröffentlichen sollte.

Boldt begrüßte, dass sich insbesondere größere Klinikverbünde verstärkt mit dem Thema auseinandersetzen und sich um eine gute Qualifizierung der ausländischen Kollegen kümmern.

Auch Ärzte, die sehr gut Deutsch sprechen, würden häufig die Fachterminologie nicht beherrschen, berichtete Boldt. "Uns fällt auf, dass sehr viele Kollegen deutsche Begrifflichkeiten benutzen, nicht aber die medizinische Fachsprache."

In den Fachsprachenprüfungen führen die Ärzte ein Patientengespräch und erheben die Anamnese. Dann müssen sie das Erfahrene schriftlich niederlegen.

Darauf folgt die Vorstellung des Patienten in einer Art Visitengespräch. Die Arbeit mit simulierten Situationen ermögliche es, standardisiert vorzugehen, sagte Boldt.

"Jeder Arzt hat den gleichen Schwierigkeitsgrad." Möglicherweise würden künftig Telefonate in die Prüfungen aufgenommen.

Manche Experten sähen das Fehlen von Telefongesprächen als ein Manko, da sie sowohl in der Arzt-Patienten- als auch in der Arzt-Arzt-Kommunikation eine wichtige Rolle spielen können.

Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Rechtzeitig eingefädelt: Die dreiseitigen Verhandlungen zwischen Kliniken, Vertragsärzten und Krankenkassen über ambulantisierbare Operationen sind fristgerecht vor April abgeschlossen worden.

© K-H Krauskopf, Wuppertal

Ambulantisierung

90 zusätzliche OPS-Codes für Hybrid-DRG vereinbart

Führen den BVKJ: Tilo Radau (l.), Hauptgeschäftsführer, und Präsident Michael Hubmann im Berliner Büro des Verbands.

© Marco Urban für die Ärzte Zeitung

Doppel-Interview

BVKJ-Spitze Hubmann und Radau: „Erst einmal die Kinder-AU abschaffen!“