Flüchtlinge

Experten fordern mehr Personal und Chipkarte!

Die Flüchtlingsversorgung funktioniert vielerorts alles andere als reibungslos. Eine aktuelle Analyse zeigt, wo genau die Missstände liegen.

Von Jana Kötter Veröffentlicht:

NEU-ISENBURG. Die gesundheitliche Versorgung von Flüchtlingen erfüllt derzeit an vielen Punkten nicht die gesetzlichen Mindeststandards.

Zu diesem Schluss kommt ein aktuelles Dossier der Robert Bosch Expertenkommission zur Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik.

Um eine gute gesundheitliche Versorgung bereits in den Erstunterkünften zu gewährleisten, müsse die Zahl der Sozialarbeiter und Ärzte aufgestockt werden, so die Experten.

Die von Wohlfahrtsverbänden geforderte Zielvorgabe von maximal 80 Asylbewerbern pro Sozialarbeiter sei aktuell in der Regel überschritten.

"Die ärztliche Erstuntersuchung ist ohne eine bessere Ausstattung mit medizinischem Personal nicht mehr in der gesetzlich vorgesehenen Art und Weise zu leisten", heißt es in dem Dossier.

Um gegenzusteuern, sollte auf Ressourcen wie Ärzte im Ruhestand oder Studenten im Praktischen Jahr zurückgegriffen werden. Der Bund müsse - "gegebenenfalls in Kooperation mit den Ländern" - mehr finanzielle Ressourcen zur Verfügung stellen.

Traumatisierte Flüchtlinge im Blick 

Vor allem traumatisierte Flüchtlinge seien derzeit unterversorgt und erhielten nicht die nach EU-Recht erforderliche medizinische Hilfe, kritisieren die Experten. "Hier besteht ein akuter Engpass", heißt es.

So gebe es einen Mangel an Psychotherapeuten mit entsprechenden Fach- und Sprachkenntnissen sowie qualifizierten Einrichtungen. Ein Ausbau der Behandlungsmöglichkeiten helfe, langfristigen Erkrankungen und damit Folgekosten vorzubeugen.

Um die Erreichbarkeit von medizinischen Angeboten zu gewährleisten, sei es wichtig, traumatisierte und schwer erkrankte Flüchtlinge in urbanen und nicht in ländlichen Regionen unterzubringen, lautet eine Empfehlung.

Das im März 2015 einberufene Gremium rät dabei zu einer bundeseinheitlichen Grundversorgung für Flüchtlinge, deren Umfang durch ein Expertengremium festgelegt werden soll.

Entgegen häufig geäußerter Bedenken sei eine "Grundversorgung auf gutem Niveau" mit weniger Kosten verbunden als die gegenwärtige Praxis, die in den ersten 15 Monaten keinen vollen Anspruch auf medizinische Leistungen vorsieht.

Das führe unter anderem dazu, dass präventive Impfungen wie die gegen Tuberkulose oft zu spät durchgeführt würden.

Gesundheitskarte als erster Schritt

Ein erster wichtiger Schritt kann nach Meinung der Experten eine bundesweite Umstellung auf eine verbindliche Gesundheitskarte sein.

Bisher muss nach wie vor vielerorts bei jeder einzelnen Behandlung ein Krankenschein bei den Gesundheits- und Sozialämtern beantragt werden; die Einführung der Gesundheitskarte wird je nach Bundesland unterschiedlich gehandhabt, zeigte jüngst eine Umfrage der "Ärzte Zeitung".

"Wir können und müssen den Zugang zu medizinischen Behandlungen für Flüchtlinge auf einem guten Niveau vereinheitlichen und vereinfachen", sagt Armin Laschet, Vorsitzender der Kommission.

"Das entspricht einem menschenwürdigen Umgang mit Flüchtlingen und ist langfristig günstiger für die Gesellschaft."

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