Masterplan Medizinstudium 2020

"Landarztquote löst keine Strukturprobleme"

Hinter den Kulissen verhandeln Bund und Länder weiter über die Finanzierung des Masterplans. Für Dr. Frank Wissing, Generalsekretär beim Medizinischen Fakultätentag, enthält die Reform zu viel Symbolpolitik.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:

Ärzte Zeitung: Der Masterplan ist in einem vertraulichen Prozess zwischen Bund und Ländern entwickelt worden. Haben Sie den Eindruck, dass der MFT mit seinen Positionen in diesem Prozess Gehör gefunden hat?

Dr. Frank Wissing: Nur bedingt. Die Inhalte der rund 40 Maßnahmen wurden im Detail schon Mitte vergangenen Jahres von der Politik festgezurrt. Doch weder die medizinischen Fakultäten noch die Studierenden oder die Fachgesellschaften dürfen diese bislang kennen. Dabei sollen – nach allem, was man hört – neben überflüssigen politischen Augenwischereien wie der Landarztquote auch wichtige, begrüßenswerte Themen adressiert werden: die Verknüpfung von Theorie und Praxis über den gesamten Studienverlauf, die interprofessionelle Ausbildung, eine sichtbare Verankerung der Wissenschaftlichkeit oder die Auswahlverfahren für Studienbewerber.

Im Masterplan wird eine Ausbildungsreform mit versorgungspolitischen Zielen verknüpft. Welche Folgen hat das gehabt?

Das Medizinstudium weiterzuentwickeln und inhaltlich auf aktuelle und zukünftige Herausforderungen anzupassen ist eine Daueraufgabe, der sich alle Akteure stellen müssen. Eine Landarztquote oder Zwangsmaßnahmen, um Studierende für die Allgemeinmedizin zu gewinnen, klingen politisch opportun, lösen aber keines der bestehenden Probleme. Hierfür müssen vielmehr die Strukturen, Arbeitsbedingungen und Anreize für den Arztberuf erheblich verbessert werden. Die Scheinlösungen, die der Masterplan hier anbietet, dürfen der Gesundheitspolitik nicht als Vorwand dienen, sich den eigentlichen Herausforderungen zu entziehen.

Unabhängig vom Ausgang der Verhandlungen: Welche Elemente des Masterplans halten Sie mit Blick auf die Qualität der Ausbildung für zukunftsweisend?

Es wird an fast allen Standorten bereits jetzt ein früher Patientenkontakt umgesetzt. Die Modellstudiengänge haben hier etwas größere rechtliche Spielräume erhalten. Wir würden uns wünschen, dass diese Spielräume auch für die Regelstudiengänge zur Verfügung stehen. Auch ist die wissenschaftliche Fundierung des Medizinstudiums an allen universitären Standorten gegeben, wird von den Studierenden aber nicht immer so wahrgenommen. Diese Studieninhalte müssen wir daher noch sichtbarer herausarbeiten und klarer vermitteln.

Gibt Ihnen der Masterplan – falls er verabschiedet wird – die Reformagenda vor? Welche Spielräume für eigene Akzente bleiben dem MFT in dieser Situation?

Die Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkataloge Medizin (NKLM) und Zahnmedizin (NKLZ) wurden von den Fakultäten gemeinsam mit den Fachgesellschaften, den Studierenden und der (Zahn-)Ärztekammer im Jahr 2015 verabschiedet. Sie werden nun an den Fakultäten umgesetzt und weiterentwickelt. Dass die Weiterentwicklung aber gemäß Masterplan auf einmal den Fakultäten aus der Hand genommen werden soll, ist für uns nicht akzeptabel. Wir gehen davon aus, dass zu vielen Maßnahmen noch geprüft werden muss, ob und wie sie sich überhaupt umsetzen lassen – praktisch, rechtlich und kapazitär. Das geht nur unter Einbindung der Fakultäten. Wir bringen uns hier gern ein, schließlich haben wir an allen Standorten viele Erfahrungen mit der Operationalisierung und Erfolgsmessung der möglichen Maßnahmen.

Gesetzt den Fall, der Masterplan wird um des politischen Erfolgs willen verabschiedet, ein Finanzierungskonzept scheitert hingegen: Was wären die konkreten Folgen?

Dann ist das Ganze ein Papiertiger. Viele Standorte sind mögliche Reformen bisher nur zögerlich angegangen, etwa wenn es um die Umstellung auf OSCE-Prüfungen (Objective Structured Clinical Examination) geht. Wer entwickelt da noch andere Prüfformate, die vielleicht sogar besser passen? Aber andere Themen werden sicherlich nicht liegenbleiben. NKLM und NKLZ müssen auf jeden Fall von uns weiterentwickelt werden, und auch das Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) muss seine Gegenstandskataloge anpassen. Auch die wertvollen Erfahrungen aus den Modellstudiengängen werden in der Entwicklung des Medizinstudiums aufgegriffen. Aber teure und von ihrem Sinn her zweifelhafte Vorschläge wie das vertragsärztliche Pflichtquartal oder die Pflichtprüfung in der Allgemeinmedizin werden so sicher nicht kommen.

Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Führen den BVKJ: Tilo Radau (l.), Hauptgeschäftsführer, und Präsident Michael Hubmann im Berliner Büro des Verbands.

© Marco Urban für die Ärzte Zeitung

Doppel-Interview

BVKJ-Spitze Hubmann und Radau: „Erst einmal die Kinder-AU abschaffen!“

Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch.

© Rolf Schulten

Interview

Diakonie-Präsident Schuch: Ohne Pflege zu Hause kollabiert das System