Strukturreformen

Brückenbauer zwischen Sektorengrenzen gesucht

Die Trennung von Versorgungssektoren im Gesundheitswesen ist seit Jahren ein Streitthema. Beim "Länderforum Gesundheit" der Barmer diskutierten Experten über Wege, wie der Brückenbau zwischen den Sektoren gelingen kann.

Alexander JoppichVon Alexander Joppich Veröffentlicht:
Der Patient steht oft zwischen den Sektoren: Wie passende Verbindungen aussehen, wurde beim „Länderforum Gesundheit“ diskutiert.

Der Patient steht oft zwischen den Sektoren: Wie passende Verbindungen aussehen, wurde beim „Länderforum Gesundheit“ diskutiert.

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GÜNZBURG. Wie können Schnittstellen zwischen den Sektoren überwunden werden, sodass eine übergreifende Versorgung gelingt? Über konkrete Vorschläge haben Teilnehmer des ersten "Länderforums Gesundheit" der Barmer Landesvertretungen Baden-Württemberg und Bayern kürzlich in Günzburg bei Ulm diskutiert.

Gleiche Vergütung in den Sektoren

Einig waren sich die Teilnehmer in einem Punkt: Nur durch eine Bedarfsplanung, die sowohl den stationären als auch den ambulanten Bereich umfasst, seien Strukturreformen möglich. So forderte Dr. Claudia Wöhler, Landesgeschäftsführerin der Barmer Bayern, eine präzise Leistungsbedarfsermittlung. Es sei entscheidend, dass Leistungserbringer in den verschiedenen Sektoren die gleiche Vergütung für identische Leistungen erhalten. Darüber hinaus müsse der Netzwerkgedanke für die gesamte Versorgungskette gelten: Zwischen den Sektoren müssten alle Akteure besser miteinander kommunizieren und ihre Untersuchungsergebnisse dokumentieren. In einem solchen System liege die Steuerungsfunktion beim Hausarzt. Wöhler knüpfte damit an Reformvorschläge der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) an. Die Stiftungsautoren haben sich kürzlich für einen weitreichenden Umbau des ordnungspolitischen im Gesundheitswesen Rahmens ausgesprochen.

Übereinstimmung gab es auch bei Problembeschreibung, auch über das Problem, an dem das Thema "Sektorenübergreifende Versorgung" immer wieder scheitert: Es gebe keine Anreize finanzieller Art für die Zusammenarbeit der Sektoren, hatte bereits der Gesundheitsweise Professor Ferdinand Gerlach in der FES-Studie kritisiert. In diese Kerbe schlug auch der baden-württembergische Sozialminister Manfred Lucha (Grüne). "Da kämpft jeder um seinen Kirchturm", sagte Lucha. Er forderte ein "Zusammenspannen" der Sektoren und lobte die obligatorischen kommunalen Gesundheitskonferenzen im Südwesten.

Zustimmung erhielt er von Gabriele Hörl, Abteilungsleiterin im bayerischen Gesundheitsministerium: Der Bund sollte Regionalkonferenzen zwischen Kassen, Ärzten, Kliniken und Kommunen verpflichtend festsetzen und diese dann autonom arbeiten lassen. Ihr Motto: Mehr Regionalität wagen.

Alte Strukturen aufbrechen!

Professor Eberhard Wille, stellvertretender Vorsitzender des Rats der Gesundheits-Sachverständigen, warb dafür, Disease Management als Regelversorgung zu etablieren. Der Abschluss von Selektivverträgen sollte auch mit Kliniken möglich sein. Ebenfalls auf seinem Wunschzettel: Wettbewerb zwischen Selektiv- und Kollektivverträgen, verbunden mit einer verpflichtenden Evaluation. Darüber hinaus sollte das Gesundheitswesen "ergebnisoffen sektorenübergreifende Projekte fördern" – ein Plädoyer für mehr Veränderungswillen.

Diese Einsicht stieß auf breiten Konsens in der Podiumsdiskussion. Tenor: Die Selbstverwaltung funktioniert an sich gut, die Strukturen im deutschen Gesundheitssystem sind aber verkrustet. So betonte der Landesgeschäftsführer der Barmer in Baden-Württemberg, Winfried Plötze, dass die Versorgungsstrukturen sich an den Bedürfnissen der Patienten zu orientieren hätten – nicht umgekehrt. Ein positives Beispiel

Wie die Kooperation zwischen den Akteuren aussehen kann, zeigte Dr. Gottfried Roller. Er leitet das Gesundheitsamt im Kreis Reutlingen und koordiniert in Südwürttemberg das Modellprojekt "Sektorenübergreifende Versorgung". Dabei wird von Wissenschaftlern in den Landkreisen Reutlingen, Biberach und Ravensburg der Ist-Zustand der ambulanten und stationären Versorgung erhoben. Zudem formulieren die Forscher eine Bedarfsprognose der künftigen Versorgung. Zurzeit erarbeiten Wissenschaftler unter Beteiligung vieler Akteure des Gesundheitswesens Handlungsempfehlungen für eine sektoren- und kreisübergreifende Versorgungsplanung in der Modellregion.

Roller sieht großes Potenzial in dem auf zwei Jahren angelegten Projekt – eine sektorenübergreifende Zusammenarbeit, wie sie auch im Sinne der Friedrich-Ebert-Stiftung wäre.

In weiteren Länderforen, etwa Ende August in Wiesbaden, setzt die Barmer die Diskussion mit Vertretern aus Hessen und Rheinland-Pfalz fort.

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