NRW ist uneins

Wie sinnvoll ist die Landarztquote?

Der Koalitionsvertrag von CDU und FDP in NRW enthält die umstrittene Landarztquote. Zehn Prozent der Medizinstudienplätze sollen an Bewerber gehen, die sich verpflichten, nach dem Abschluss in unterversorgten Regionen zu arbeiten. Die Reaktionen der Ärzteschaft sind zweigeteilt.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Landarztquote: Die Ärzte in Nordrhein-Westfalen sind uneins.

Landarztquote: Die Ärzte in Nordrhein-Westfalen sind uneins.

© Ulrich Baumgarten / dpa

MÜNSTER / DORTMUND. Die nordrhein-westfälische Ärzteschaft ist uneins in der Bewertung der von der neuen schwarz-gelben Landesregierung für Nordrhein-Westfalen vorgesehenen Landarztquote.

Die Verpflichtung junger Menschen auf eine spätere Tätigkeit in ländlichen Regionen ist nach Einschätzung von Dr. Theodor Windhorst, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, ein untaugliches Mittel im Kampf gegen den Nachwuchsmangel. Der zweite Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) Dr. Gerhard Nordmann ist dagegen der Ansicht, dass man dem Instrument eine Chance geben sollte.

"Es macht keinen Sinn, die Landarztquote zu zerreden."

Dr. Gerhard Nordmann

2. Vorsitzender der KVWL

Der Koalitionsvertrag von CDU und FDP sieht vor, dass zehn Prozent der Medizinstudienplätze an nordrhein-westfälischen Universitäten an Bewerber gehen sollen, die sich verpflichten, nach dem Studium für eine bestimmte Zeit in eine unterversorgte Region zu gehen. Der Numerus Clausus spielt bei diesen Studierenden keine Rolle.

Freikauf oder Auslandsstudium?

"Ich glaube nicht, dass wir über eine Landarztquote die Probleme lösen", sagt ÄKWL-Präsident Windhorst. Viel wichtiger ist es für ihn, das Image der Allgemeinmedizin und den Stellenwert an den Universitäten zu verbessern.

Gegen die Quote spricht nach seiner Ansicht die Tatsache, dass sich junge Ärzte, die das nötige Geld haben, nach dem Studium von der Verpflichtung freikaufen könnten. Für manche wäre ein solcher Freikauf günstiger als ein Medizinstudium im Ausland.

Die Erfahrungen bei der Bundeswehr hätten gezeigt, dass eine solche Verpflichtung kein geeignetes Mittel gegen den Nachwuchsmangel ist, sagt Windhorst.

"Man kann von jungen Leuten nicht erwarten, dass sie zu Beginn des Studiums schon wissen, was sie später machen wollen." Eine solche frühzeitige Verpflichtung könnte als sittenwidrig eingestuft werden, warnt er.

Landarztquote ein falsches Signal

Außerdem hält er die Landarztquote für ein falsches Signal in Richtung der in ländlichen Regionen tätigen niedergelassenen Ärzte. Wenn man über einen Nebenweg die "schlechteren" Studierenden in die ländliche Versorgung bringen würde, sei das ein Ausdruck mangelnder Wertschätzung dieser Tätigkeit.

"Es macht keinen Sinn, die Landarztquote zu zerreden", kritisiert dagegen KVWL-Vize Gerhard Nordmann. Bei allen Problemen, die eine Landarztquote mit sich bringt, sei er nach wie vor dafür.

Es sei notwendig, das Thema Unterversorgung und Nachwuchsmangel in ländlichen Regionen anzupacken. Dafür müsse man verschiedene Instrumente ausprobieren.

"Wenn wir nicht irgendwann anfangen, Maßnahmen zu ergreifen, werden wir Probleme bekommen", betont Nordmann. Bei der Organisation des Notfalldienstes sei das nicht anders gewesen. Hier habe sich die Umsetzung der Reform auch gegen mannigfaltige Kritik bewährt.

Mit weiteren Maßnahmen flankiert

Mit der Landarztquote könnte es gelingen, junge Ärzte für die Tätigkeit auf dem Land zu gewinnen, hofft er. Klar ist für Nordmann, dass sie durch weitere Maßnahmen flankiert werden muss wie die finanzielle Förderung der niederlassungswilligen jungen Ärzte.

"Meine oberste Priorität ist es, die Versorgung der Menschen in Westfalen-Lippe mit niedergelassenen Ärzten und Psychotherapeuten sicherzustellen", sagt Nordmann. Es sei durchaus möglich, dass über die Quote manche jungen Ärzte dazu motiviert werden, sich auf dem Land niederzulassen.

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