Notfallpatienten

Neuer Ärger um Schnell-Check in Hessen

Die KV Hessen gießt neues Öl ins Feuer um die Abklärungspauschale: Das Gros der Kliniken mache davon überhaupt nicht Gebrauch.

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FRANKFURT/MAIN. Mehr als jede dritte der 85 hessischen Kliniken hat von der zum 1. April eingeführten Abklärungspauschale bislang noch keinen Gebrauch gemacht. Gleichzeitig erfüllt die neu geschaffene Ziffer an der Grenze von stationärem und ambulantem Sektor bei anderen Kliniken ihren Zweck: Jene, die die Abklärungspauschale ansetzen, überweisen über 80 Prozent der Patienten aus der Notaufnahme in die ambulante Versorgung. Dieses ambivalente Bild zeichnet eine Abrechnungsanalyse der KV Hessen für das zweite Quartal.

Für die beiden KV-Vorstände Frank Dastych und Dr. Eckhard Starke sind die am Montag veröffentlichten Daten Anlass für neues Feuer im seit März schwelenden Streit um die Pauschale.

Die klaren gesetzlichen Regelungen würden "von den meisten Kliniken boykottiert"; mit ihrem Abrechnungsverhalten "verhöhnen solche Krankenhäuser die KV Hessen und den Gesetzgeber in Berlin", kritisieren sie scharf jene Kliniken, in deren Abrechnung keine Abklärungspauschale zu finden ist.

Es könne nicht sein, dass bei rund 9000 Abrechnungen "in einem Frankfurter oder Offenbacher Krankenhaus" kein einziger Patient in die ambulante Versorgung gehöre, so Dastych.

Die Einführung der Abklärungspauschale (EBM-Ziffern 01205 und 01207), mit der den Notaufnahmen die zügige Sichtung eigentlich ambulant zu behandelnder Fälle vergütet wird, hatte in Hessen bereits für heftigen Streit zwischen KV und Kliniken gesorgt. Dabei ist die Pauschale auf Bundesebene beschlossen worden.

Die KV Hessen unterstellt den Kliniken wirtschaftliche Beweggründe. Für "zahlreiche hessische Krankenhäuser" gehöre die Behandlung eigentlich ambulanter Fälle, die in der Ambulanz auflaufen, "offenbar zu den gängigen Geschäftspraktiken", kritisieren Dastych und Eckhard.

Auch KV-Sprecher Matthias Roth bestätigt auf Anfrage der "Ärzte Zeitung", dass das wahre Versorgungsgeschehen lediglich in "einer Hand voll Fälle" der Abrechnungen der 85 hessischen Kliniken korrekt widergespiegelt werde.

Tatsächlich weist eine weitere Analyse der KV Hessen darauf hin, dass Kliniken "Stammkunden" zu haben scheinen, heißt es: Je nach Krankenhaus hätten bis zu 20 Prozent der Patienten die Ambulanzen mehr als einmal in den letzten acht Quartalen in Anspruch genommen. "Das hat mit Notfallbehandlung überhaupt nichts mehr zu tun", so der KV-Vorstand.

Die Arbeitsgemeinschaft Zentraler Notaufnahmen Hessen warnte hingegen, die Abklärungspauschale als Schnell-Check mit anschließender Zuweisung an die ambulante Versorgung setze "Notfallpatienten unkalkulierbaren Risiken aus". (jk)

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