Hessen

Landkreis will Versorgung gestalten

Kommunale MVZ stoßen vielerorts auf Zurückhaltung. Nicht jedoch im hessischen Kreis Darmstadt-Dieburg: Der will mit einem innovativen Primärversorgungszentrum zum Vorbild werden.

Von Jana Kötter Veröffentlicht:
Neben Allgemeinmedizinern und einem Weiterbildungsassistenten sollen in dem neuen Zentrum in Darmstadt-Dieburg mindestens eine nichtärztliche Praxisassistentin (NäPA) sowie eine Case Managerin angestellt sein.

Neben Allgemeinmedizinern und einem Weiterbildungsassistenten sollen in dem neuen Zentrum in Darmstadt-Dieburg mindestens eine nichtärztliche Praxisassistentin (NäPA) sowie eine Case Managerin angestellt sein.

© lenetsnikolai / / stock.adobe.com

DARMSTADT. Der hessische Landkreis Darmstadt-Dieburg will nicht länger allein auf die Selbstverwaltung setzen, sondern die regionale Gesundheitsversorgung selbst gestalten. Dazu ist unter anderem ein Primärversorgungszentrum in Ober-Ramstadt geplant, das die Idee eines kommunalen Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) um pflegerische und andere gesundheitliche Leistungsangebote ergänzen soll. "Wir wollen damit eine Blaupause setzen", betonte Landrat Klaus Peter Schellhaas (SPD) am Freitag bei der Vorstellung seines "Versorgungskonzepts 2025". Neben Allgemeinmedizinern und einem Weiterbildungsassistenten sollen in dem Zentrum mindestens eine nichtärztliche Praxisassistentin (NäPA) sowie eine Case Managerin angestellt sein.

Im November soll der Kreistag grünes Licht für das innovative Versorgungsprojekt geben, das laut Schellhaas im Laufe des kommenden Jahres umgesetzt werden könnte. 250.000 Euro will er dafür in die Hand nehmen. Das Primärversorgungszentrum basiert auf einem der aktuell bereits fünf bestehenden MVZ im Kreis, das bereits im Oktober einen neuen Bau beziehen wird. Die fünf dort angestellten Ärzte sollen in das neue Zentrum wechseln, neu eingestellt werden NäPA und Case Managerin.

Der Kreis setzt darauf, mit dem Konzept auch junge Ärzte für die Region gewinnen zu können. "Sie ziehen oft ein Angestelltenverhältnis der Selbstständigkeit vor und profitieren damit vom Versorgungszentrum", sagte Pelin Meyer aus der Geschäftsführung der Kreiskliniken am Freitag.

Obwohl kommunale MVZ durch das Versorgungsstärkungsgesetz bereits seit 2015 sogar ohne Zustimmung der KVen eröffnet werden können, stößt die Idee bislang auf Zurückhaltung. Eine Erhebung der MHH identifizierte als Gründe unter anderem Angst vor finanzieller Überforderung (wir berichteten).

Erarbeitet hat das Konzept der Landkreis zusammen mit der Optimedis AG aus Hamburg. Laut eigenen Angaben ist das Darmstädter Vorhaben in dieser Form bislang bundesweit einmalig und geht über andere Leuchtturm-Projekte wie das Gesundheitszentrum Büsum hinaus.

Neben dem multiprofessionell ausgerichteten Primärversorgungszentrum enthält das "Versorgungskonzept 2025" drei weitere Bausteine:

» Die geriatrische Versorgung soll über einen klar identifizierten Versorgungspfad in Hausarzt-, geriatrischen Schwerpunktpraxen und Kreiskliniken erfolgen.

» Versorgung psychisch Erkrankter: Hier ist eine Clearing-Stelle geplant, um einen niedrigschwelligen und zügigen Zugang zur Versorgung zu ermöglichen. Über eine telefonische Beratung soll die passende Therapieform identifiziert und vermittelt werden. Die Clearingstelle soll in einer Pilotregion des Landkreises erprobt werden.

» Die sektorenübergreifende Versorgung soll vorangetrieben werden.

Für die Umsetzung des Versorgungsmodells sollen auch Ärzte ins Boot geholt werden: Ein regionaler Beirat, bestehend aus Gemeindevertretern und Ärzteschaft, soll neben einem Fachbeirat aus Klinikvertretern bei der Implementierung Rat geben.

Blick ins Jahr 2030

» Jeder fünfte Einwohner im Kreis Darmstadt-Dieburg wird 2030 zwischen 65 und 79 Jahre alt sein; jeder zehnte über 80.

» Jeder 20. Einwohner wird auf Pflege angewiesen sein.

» Zwei von drei Ärzten im Kreis werden bis 2030 in Ruhestand gehen.

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