Versorgungsstärkungsgesetz unter der Lupe

Es mahlen die Mühlen

Fleiß bescheinigen fast alle Koalitionäre Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). 28 Gesetze seines Ressorts passierten seit 2013 den Bundestag. Die "Ärzte Zeitung" unterzieht die wichtigsten Gesetze einem Haltbarkeitstest: Welche Regelungen greifen, welche bleiben bisher Placebo?

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Es war das erste Großprojekt, das die große Koalition in der Gesundheitspolitik angegangen ist: das Versorgungsstärkungsgesetz (VSG). Viele der Vorhaben werden aber erst in der nächsten Legislaturperiode umgesetzt. Ein Überblick:

  • Terminservicestellen: Die Vermittlung soll die Wartezeit auf einen Facharzttermin auf höchstens vier Wochen beschränken (Paragraf 75 1a SGB V). Die KVen haben im Januar 2016 die Terminservicestellen (TSS) fristgerecht eingerichtet. Im ersten Jahr haben sie rund 10.000 Termine im Monat vermittelt. Die im April 2017 eingeführte Sprechstunde auch bei Psychotherapeuten hat die Nutzerzahlen steigen lassen, aber "nicht dramatisch", wie es bei der KBV heißt. Die Kassenärzte stehen den TSS nach wie vor eher skeptisch gegenüber.
  • Disease Management Programme: Die große Koalition hat wieder Bewegung in die strukturierten Behandlungsprogramme gebracht. Der GBA wurde verpflichtet, neue Programme aufzulegen. Der Gesetzgeber sagte sogar welche: Rückenleiden und Depressionen (Paragraf 137 f SGB V). Ein DMP Rückenleiden wird noch länger auf sich warten lassen. Die Vorarbeiten des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) haben viel Diskussionsbedarf zu Tage gefördert. Der Abschlussbericht des IQWiG für ein DMP Depressionen liegt seit Mai dieses Jahres vor. Wann der Bundesausschuss daraus ein strukturiertes Behandlungsprogramm gegossen haben wird, steht noch nicht fest. Konkreter ist die Aufwertung des DMP-Moduls Herzinsuffizienz innerhalb des DMP Koronare Herzinsuffizienz. Im ersten Quartal 2018 soll aus dem Modul ein eigenständiges DMP werden, das mit dem DMP KHK ein Doppel bilden soll.
  • Entlassmanagement: Der Gesetzgeber hat die Krankenhäuser verpflichtet, jedem Patienten ein strukturiertes Entlassmanagement anzubieten. (Paragraf 39 SGB V). Die KBV, der GKV-Spitzenverband und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) haben sich nach heftigen Auseinandersetzungen darauf verständigt, die Vorgaben ab 1. Oktober 2017 umzusetzen. Krankenhausärzte können Patienten dann bis zu einer Woche nach der Entlassung weiter betreuen, Apothekenrezepte ausstellen und krankschreiben.
  • Zweitmeinung: Menschen, die einen planbaren Eingriff vor sich haben, wie zum Beispiel den Einbau eines künstlichen Kniegelenks, haben mit dem VSG Anspruch auf die zweite Meinung eines unabhängigen Arztes erhalten (Paragraf 27 SGB V). Der Paragraf wird kontrovers diskutiert. Dem Gesetzgeber wird unterstellt, damit gegen Mengenausweitungen bei Operationen vorgehen zu wollen. Bereits Ende 2015 hätte der GBA eine Liste von planbaren Operationen vorlegen sollen, für die der Anspruch auf eine Zweitmeinung gelten solle. Heftig gestritten wurde auch darum, welche Ärzte eine Zweitmeinung abgeben können sollen. Der GBA stellt nun eine Richtlinie für das vierte Quartal 2017 in Aussicht. Dieser Zeitraum werde "angestrebt".
  • Wirtschaftlichkeitsprüfung: Mit dem VSG hat der Gesetzgeber die Wirtschaftlichkeitsprüfungen regionalisiert (Paragrafen 106 und 106a SGB V). Seit Januar 2017 haben einige KVen die Richtgrößen abgeschafft und durch Wirkstoffquoten und Leitsubstanzziele ersetzt. Dies ist aber noch nicht in allen KV-Regionen so. Umstritten ist zudem nach wie vor der Umgang mit Arzneiinnovationen, denen der GBA einen Zusatznutzen zuerkannt hat. (af)
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