Sachsen-Anhalt

Gemeinde fördert Praxisübernahme massiv

Die Gemeinde Hohe Börde in Sachsen-Anhalt fördert ansiedlungswillige Ärzte mit 25.000 Euro. Eine Entscheidung, die nicht jedem im Ort schmeckt. Doch die Bürgermeisterin ist überzeugt davon, dass dieser Schritt notwendig ist.

Von Petra Zieler Veröffentlicht:
Praxisnachfolger Frederik Pieper (li.) und Dr. Hans-Georg Stahl in Eichenbarleben.

Praxisnachfolger Frederik Pieper (li.) und Dr. Hans-Georg Stahl in Eichenbarleben.

© Petra Zieler

IRXLEBEN / MAGDEBURG. Eine Finanzspritze in Höhe von 25.000 Euro wartet auf Ärzte, die sich in der Gemeinde Hohe Börde (Landkreis Börde) nahe der Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts niederlassen. Vor dem Beschluss des Gemeinderates gab es allerdings heftige Diskussionen.

"Warum das Geld gut verdienenden Ärzten hinterherschmeißen, die mit dicken Autos vorfahren?", lautete eine Frage. Es gebe doch schließlich Wichtigeres.

"Stimmt, in einer Gemeinde wie unserer stehen viele Projekte an, die finanziert werden müssen. Und alle sind wichtig", sagt Bürgermeisterin Steffi Trittel (parteilos). "Aber wenn wir nicht wollen, dass der Mercedes an unseren Orten vorbei fährt und Halt in der Nachbargemeinde oder Magdeburg macht, müssen wir etwas tun."

Steffi Trittel wohnt im Ortsteil Nordgermersleben. Der Allgemeinmediziner dort ist auch ihr Hausarzt. "Ich hoffe, noch lange. Aber er ist 77."

Jahrelange Suche

Insgesamt gibt es in den 18 Ortsteilen der Gemeinde mit knapp 19.000 Einwohnern zehn Arztpraxen. Die meisten Ärzte praktizieren schon lange, ihr Rentenalter ist in Sicht. "Einen Nachfolger für eine Praxis zu finden ist heute ungleich schwerer als noch vor drei, vier Jahren", sagt Steffi Trittel, seit der Gemeindegebietsreform 2010 Bürgermeisterin und zuvor bereits 20 Jahre Verwaltungsleiterin. Das habe sich ganz klar im Ortsteil Eichenbarleben abgezeichnet – 32 Jahre lang Wirkungsstätte von Allgemeinmediziner Dr. Hans-Georg Stahl.

Mehr als zwei Jahre hatten er und die Gemeinde nach einer Lösung gesucht und schließlich mit dem in Magdeburg ansässigen Elbe-MVZ gefunden. Das übernahm die Praxis von Dr. Stahl, in der seit 1. Juli Frederik Pieper praktiziert. Der trägt als angestellter Arzt kein wirtschaftliches Risiko und hat zudem weniger bürokratischen Aufwand zu bewältigen.

Die Gemeinde honorierte die Praxisübernahme mit 25.000 Euro, die in eine neue Einrichtung und den Ausbau des Standortes investiert werden sollen.

Zuschuss soll Einstieg erleichtern

Weitere 25.000 Euro wurden für den Erhalt der Praxis in Hermsdorf zur Verfügung gestellt. Praxisinhaberin Antje Weichard praktiziert derzeit in Magdeburg, Haldensleben und Hermsdorf (Sachsen-Anhalt). "Allein ist das einfach zuviel." Deshalb will sie die Praxis in Hermsdorf an ihre Weiterbildungsassistentin Jana Draffehn abgeben (die "Ärzte Zeitung" berichtete).

"Jana ist aber seit Kurzem im Babyjahr, anschließend braucht sie noch gut ein Jahr bis zur Facharztprüfung." Der Zuschuss der Gemeinde hilft, die Zeit zu überbrücken und erleichtert der neuen, künftigen Hausärztin in Hermsdorf den Einstieg.

Bürgermeisterin Trittel: "Dass unsere 18 Ortsteile nicht aussterben, sondern im Gegenteil Zuwächse registrieren, liegt auch an der guten medizinischen Versorgung. Unser Beschluss, Geld für deren langfristige Sicherung in die Hand zu nehmen, war goldrichtig." Neue Praxissitze oder Praxisübernahmen sponsort die Gemeinde mit je 25.000 Euro, zusätzliche Filialpraxen mit je 15.000 Euro und die Anstellung eines Arztes mit 12.500 Euro.

Übrigens: Für jedes Baby gibt's in Hohe Börde 100 Euro Begrüßungsgeld – bei mehr als 2000 Neugeborenen in den vergangenen zehn Jahren kein Pappenstiel. "Über eine gesunde Zukunft auf dem Land entscheiden Daseinsvorsorge und Wirtschaftskraft", sagt die Bürgermeisterin. "Dass wir eine prosperierende Gemeinde sind, verdanken schließlich nicht nur unserem guten Bördeboden."

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