Alternativmedizin

Heilpraktikerdebatte: Petition und juristischer Gegenwind

Ein Heilpraktiker hat eine Petition zum Erhalt des Berufsstandes gestartet. Er reagiert damit auf die Abschaffungsempfehlung des Münsteraner Kreises. Gegen das Aus des Heilpraktikerwesens plädieren indes auch die Osteopathen.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
An der Kraft der Heilkräuter scheiden sich die Geister.

An der Kraft der Heilkräuter scheiden sich die Geister.

© Andreas/stock.adobe.com

MAINBURG/DORTMUND/WIESBADEN. Die Ende August von dem Wissenschaftlergremium "Münsteraner Kreis" um die Medizinethikerin Professor Bettina Schöne-Seifert losgetretene Diskussion um die Reform oder gar die gänzliche Abschaffung des deutschen Heilpraktikerwesens hat nicht nur den Widerstand der Verbände auf den Plan gerufen.

Der in Mainburg praktizierende Heilpraktiker Michael Rach hat den Vorstoß der Gelehrten zum Anlass genommen, auf politischen Gegendruck von der Basis zu setzen. Dazu hat der, wie er im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung" sagt, nicht berufspolitisch engagierte Heilpraktiker eine Online-Petition mit dem Titel "Für den uneingeschränkten Erhalt des freien Berufes des Heilpraktikers" gestartet, die beim Petitionsausschuss des Bundestages eingereicht werden soll.

Die Unterzeichnungsfrist endet am 24. Februar 2018. Das notwendige Quorum beläuft sich auf 50.000 Unterzeichner – am Montagnachmittag waren es bereits mehr als 6400.

Mindeststandard schützt Patienten

Rach will seine Petition explizit nicht als Retourkutsche zum "Münsteraner Memorandum Heilpraktiker" verstanden wissen. Dieses respektiert er er als "legitime Meinungsäußerung". Der an den Gesetzgeber gerichtete Appell zur Reform des Heilpraktikerwesens zum Nutzen der Patienten richtet sich gegen die nach Auffassung des Gremiums "unangemessene Ausbildung und die meist unhaltbaren Krankheitskonzepte" der Heilpraktiker. "Für Heilpraktiker gilt im Großen und Ganzen bereits ein Mindeststandard der Ungefährlichkeit ihres Handelns", sagt Rach er mit Blick auf den Münsteraner Vorwurf des mangelnden Patientenschutzes in Heilpraktikerhand. "Wir lernen zunächst, was wir zum Schutze unserer Patienten nicht dürfen, dann erst unsere Optionen jenseits der Schulmedizin. Und: Wenn ich keine Möglichkeit der Behandlung sehe, überweise ich den Patienten selbstverständlich an einen Arzt", schiebt er nach.

Deshalb sei die Petition auch als Sprachrohr für alle Patienten gedacht, die mit den klassisch schulmedizinischen Angeboten der Ärzte nicht zufrieden sind und darüber hinaus alternative Behandlungsangebote suchen – mit denen sie meist auch zufrieden seien, so Rach. "Mit dem Gewicht der gesammelten Unterschriften möchte ich den einschränkenden Vereinheitlichungs-Tendenzen im Gesundheitswesen entgegentreten und die Vertreter unserer parlamentarischen Demokratie sensibilisieren, auch hier die Freiheit des Einzelnen durch Beibehaltung einer Vielfalt zu ermöglichen", heißt es dementsprechend in der Begründung der Online-Petition.

Verfassungsrechtliche Bedenken

Auch Ulrich Sümper, Präsident des berufspolitisch aktiven Bundes Deutscher Heilpraktiker (BDH), wies vor Kurzem im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung" darauf hin, wie gut an der Basis – und damit im realen Versorgungsgeschehen – Ärzte und Heilpraktiker kooperierten. "85 bis 95 Prozent unserer Patienten waren vor dem Besuch in der Praxis beim Arzt", konstatierte er damals.

Der auf Heilpraktikerrecht spezialisierte Rechtsanwalt Dr. René Sasse aus Dortmund geht mit dem Münsteraner Kreis hart ins Gericht. Er wirft dem Expertenkreis – trotz Juristenbeteiligung – mangelnde juristische Trennschärfe vor – und meldet verfassungsrechtliche Bedenken zu der im Memorandum als Handlungsoption genannten Abschaffungen des Heilpraktikerwesens.

"Im Hinblick auf das in Artikel 12 Grundgesetz verankerte Grundrecht auf Berufsfreiheit dürfte es rechtlich nicht möglich sein, den Heilpraktikerberuf abzuschaffen", verdeutlicht er im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Zwar seien in der Vergangenheit der Beruf des Dentisten zugunsten des Berufs des Zahnarztes sowie die des Rechtsbeistandes zugunsten des Rechtsanwaltes abgeschafft worden. In diesen beiden Fällen habe es sich aber um dasselbe Tätigkeitsfeld auf unterschiedlichem Niveau gehandelt, so dass letzten Endes jeweils der geringer qualifizierte Beruf auf der Strecke geblieben sei. Bei den Heilpraktikern sei die Ausgangslage eine andere.

"Ärzte – auch alternativmedizinisch tätige – und Heilpraktiker arbeiten nicht auf demselben Feld. Die Abschaffung des Heilpraktikerwesens würde somit zu einer Versorgungslücke in der Naturmedizin führen", argumentiert Sasse.

Gegen die Abschaffung des Heilpraktikerwesens spricht sich auch der Verband der Osteopathen Deutschland (VOD) aus, der das Ansinnen des Münsteraner Kreises ebenfalls als rechtlich nicht umsetzbar ansieht und es zudem nicht für sinnvoll hält. "Gleichwohl macht der Berufsverband deutlich, dass der Heilpraktiker für die Sicherung der Ausbildungs- und Behandlungsqualität in der Osteopathie nicht die notwendige berufsgesetzliche Regelung ersetzen kann", schreibt der VOD in einer Mitteilung. Er wiederholt damit im Rahmen der Reformüberlegungen seine Forderung nach einem eigenen Berufsgesetz für Osteopathen.

Im Dezember waren die Osteopathen mit einem blauen Auge davon gekommen, als das Bundesgesundheitsministerium einen Änderungsantrag zum 3. Pflegestärkungsgesetz (PSG III)zurückgezogen hatte, mittels dessen die osteopathische Therapie mit 60 Unterrichtseinheiten in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Ausbildung von Physiotherapeuten verankert worden wäre.

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