Im Porträt

Maria Klein-Schmeink: "Die Pflege ist systemrelevant"

Maria Klein-Schmeink sucht Kontakt mit allen Akteuren im Gesundheitswesen. Gerne würde sie im Bundestag wieder gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen werden.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Ganz gleich, ob als Gast bei „Pflege am Boden“ (links) oder auf der „Baustelle Geburtshilfe“: Maria Klein-Schmeink, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, sieht in beiden Bereichen Handlungsbedarf.

Ganz gleich, ob als Gast bei „Pflege am Boden“ (links) oder auf der „Baustelle Geburtshilfe“: Maria Klein-Schmeink, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, sieht in beiden Bereichen Handlungsbedarf.

© Ilse Schlingensiepen

KÖLN. Fünfzehn Tage vor der Bundestagswahl locken zwei Themen Maria Klein-Schmeink von Münster nach Köln. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag diskutiert zunächst im Theater im Bauturm über die "Baustelle Geburtshilfe" und wechselt dann auf die Domplatte zur Aktion "Pflege am Boden". In beiden Bereichen sieht sie dringenden Handlungsbedarf.

"Die Geburtshilfe hat in den letzten acht Jahren einen viel zu kleinen Stellenwert gehabt", bemängelt Klein-Schmeink bei der Veranstaltung des Deutschen Hebammenverbands. Die Politik habe nur punktuell reagiert, statt die Probleme wirklich anzugehen. "In den wesentlichen Phasen der Geburt muss es eine 1:1-Betreuung geben." Mit dieser Forderung aus dem Wahlprogramm der Grünen spricht sie den Hebammen aus dem Herzen.

Im Sommer hospitiert Klein-Schmeink

Klein-Schmeink ist konzentriert und engagiert bei der Sache und vor allem sattelfest, was man nicht von allen Politikern auf dem Podium sagen kann. Die schlechten Rahmenbedingungen, die niedergelassene und angestellte Hebammen aus dem Beruf treiben, die Haftpflichtproblematik oder die Akademisierung des Berufs – zu keinem Aspekt bleibt sie eine Antwort schuldig.

Offensichtlich profitiert die Abgeordnete davon, dass sie regelmäßig das Gespräch mit den Akteuren im Gesundheitswesen sucht. Sie trifft Ärzte, besucht Krankenhäuser, um sich ein Bild zu machen. "In den acht Jahren, die ich im Bundestag sitze, habe ich eigentlich jeden Sommer genutzt, um irgendwo zu hospitieren", berichtet Klein-Schmeink. Zur Gesundheitspolitik kam die 59-Jährige über die Kommunalpolitik. Bevor sie 2009 in den Bundestag einzog, saß sie von 1993 bis 2009 für ihre Partei im Rat der Stadt Münster. "In Münster habe ich eine der ersten Gesundheitskonferenzen auf den Weg gebracht." Die studierte Soziologin war fast 20 Jahre in der Erwachsenenbildung tätig. Die Schwerpunkte: Gesundheitsbildung und Gesundheitsförderung.

Klein-Schmeink steht auf Listenplatz neun der Grünen in Nordrhein-Westfalen. Damit sie den Wiedereinzug in den Bundestag schafft, müsste ihre Partei in dem Bundesland auf 5,8 Prozent der Stimmen kommen. "Ich bin sehr zuversichtlich, dass das klappt."

Sprecher-Amt? Gerne wieder!

Behält sie das Mandat in Berlin, möchte sie der Gesundheitspolitik treu bleiben – gern wieder als gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen und als Mitglied des Gesundheitsausschusses. Die Grünen müssen dieses zentrale sozialpolitische Feld mitgestalten, findet sie. "Ich glaube, wir sind diejenigen, die keiner Lobbygruppe verpflichtet sind und denen es um die Patienten- und Versorgungsorientierung geht."

Politisch will sich Klein-Schmeink weiter für zwei Bereiche einsetzen, in denen sie sich auch ehrenamtlich engagiert: die bessere Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen und die Hospiz- und Palliativversorgung. Klar ist für sie, dass beim Thema Pflege endlich etwas passieren muss. Sie versteht, dass viele Pflegende resigniert und verbittert sind, weil ihre Nöte nicht wirklich wahrgenommen werden. Es sei immer von den systemrelevanten Arbeitsplätzen in der Automobilindustrie die Rede, sagt Klein-Schmeink auf der Kölner Domplatte. "Ich meine, die Pflege ist systemrelevant." Wieder trifft sie den Ton der Zuhörer.

Die positive Resonanz tut gut, ändert aber nichts daran, dass der Wahlkampfendspurt an die Substanz geht. "Man muss aufpassen, dass man gesundheitlich nicht unter die Räder gerät", räumt sie ein. Was hilft, ist der Rückhalt durch die Familie und den Lebensgefährten.

Nach dem 24. September wäre ein Urlaub nicht schlecht. Doch den wird sich Klein-Schmeink erst einmal nicht gönnen. "Je nach Wahlausgang kann es schließlich zu Koalitionsgesprächen kommen." Welche Konstellation sähe sie dabei am liebsten? "Wenn man auf die Programme sieht, macht Rot-rot-grün am meisten Sinn." Gerade in der Gesundheitspolitik wäre die Verständigung zwischen diesen Parteien nicht sehr schwer.

Eine Koalition mit CDU/CSU und FDP wäre für die Grünen dagegen eine harte Nuss, glaubt Klein-Schmeink. "Vieles hängt an der CSU. Es fällt mir schwer, mir vorzustellen, dass wir mit ihr zusammenkommen."

Auch von der FDP trennen sie offensichtlich Welten. Bei der Diskussion im Theater im Bauturm hat sie für die Forderung des FDP-Politikers Ralph Lorenz "Wir brauchen mehr Marktwirtschaft, das kommt dann auch bei den Hebammen an" nur ein müdes Lächeln übrig.

Das Wichtigste zu Maria Klein-Schmeink

  • Geboren 1958, ledig, eine Tochter (27 Jahre)
  • 1977 bis 1984: Studium der Soziologie, Politikwissenschaft und Pädagogik an der Uni Münster mit dem Abschluss Magister der Soziologie
  • 1983 bis 2002: Tätigkeit in der Erwachsenenbildung
  • 2002 bis 2009: Wissenschaftliche Referentin für Arbeit, Soziales und Gesundheit, später für Kommunalpolitik und Arbeitsmarktpolitik der Landtagsfraktion der Grünen in NRW
  • 1993 bis 2009: Mitglied im Rat der Stadt Münster
  • 2009 Einzug in den Bundestag, Mitglied im Gesundheitsausschuss, zunächst Sprecherin für Prävention und Patientenrechte, seit 2013 Sprecherin für Gesundheitspolitik der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
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